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Auf der Koppel (Die Koppel)

Flurkarte Stadtarchiv Petershagen

In der nord-westlichen Spitze der Lahder Gemarkung liegt das Flurstück Auf der Koppel, in alten Urkunden auch als Cappele bezeichnet. Sie liegt oberhalb des einstigen Fährhauses direkt am Weserufer. Auf Grund seiner wassernahen Lage lässt sie sich nur als Weideland oder zur Heuernte nutzen. Die Koppel war einst in Weidekoppeln und Kämpe aufgeteilt und mit Hecken und Weiden umgeben. Die Koppel gehörte lange Zeit zum Schloss Petershagen und diente als Viehweide.

In alten Überlieferungen wird berichtet, dass es dort früher auch ein „Koppelhaus“ gab *1. Wo genau das Koppelhaus stand, ist nicht bekannt. Die Darstellung auf alten Landkarten lässt vermuten, dass es östlich der heutigen Straße An der Koppel stand, ungefähr dort, wo sich heute die Stätte Lahde 53 (An der Koppel 3) befindet.

Im Zusammenhang mit dem Koppelhaus und der Besiedlung dieses Gebietes finden sich auch wichtige Hinweise in den Ausführungen von Dr. K. Großmann im Buch zur 800 Jahr Feier *2Mit dem Schlossbau in Petershagen, im Jahr 1306 ließ der Bischof auf der östlichen Weserseite ein Vorwerk errichten (auch Feldwerk genannt). Ein Vorwerk war eine wehrhafte Anlage, die der eigentlichen Burg vorgelagert war. In ihr lebten mitunter auch ritterliche Familien. Mancherorts entwickelten sich die Vorwerke zu Ritterburgen und schlossähnlichen Anwesen. Sie waren geeignet, kleinere Angriffe abzuwehren und boten der Bevölkerung des Dorfes Schutz. Sie dienten bei feindlichen Angriffen auch als Frühwarnsystem der Burg. Da die Vorwerke autonom funktionieren sollten, war eine Ausstattung mit landwirtschaftlichen Gütern möglich, die sich später auch zu „(vorwerkenden) Gutshöfen“ entwickeln konnten.

Der Mindener Bischof stattete das Vorwerk in Lahde damals mit 800 Morgen Land aus und übertrug die Verantwortung einem Hofmeister. Laut K. Großmann war das Vorwerk um 1650 auch für die kurfürstliche Schafherde verantwortlich. Demnach müsste das Vorwerk mehr als 3 Jahrhunderte bestanden haben. Wie lange die Gebäude erhalten blieben, ist nicht bekannt. Als Standort ist neben der Koppel auch die Hofbreede denkbar, auf die später noch einmal eingegangen wird.

Die These, dass auf der Koppel in Lahde einst ein feudales Ritterschloss stand, darf wohl mit Recht bezweifelt werden. Sonst wäre die Erinnerung daran sicher im kollektiven Gedächtnis erhalten geblieben. Im Bereich der Lahder Sagen findet sich jedoch ein interessanter Hinweis, der uns zur Kaiserkuhle führt:

Eine alte Sage berichtet, dass es früher einen unterirdischen Gang vom Koppelhaus zur Kaiserkuhle gab. Am Koppelhaus sei es daher nie ganz geheuer gewesen, wie auch der Schäfer Ernst Meier aus seiner Erfahrung bestätigte. Es war vor langen Jahren, als er dicht bei der Koppel seine Schafe hütete. Er erschrak von seiner Arbeit auf, als plötzlich vor ihm eine Gestalt, wie er nie eine zuvor gesehen hatte, stand. Auf seine Anrede erhielt er keine Antwort. Weil er sehen wollte, ob die Gestalt aus Fleisch und Blut sei, hob er seine Holzkeule auf, um das seltsame Wesen zu schlagen. In dem Augenblick, als er die Keule über dem Kopf schwang, wurde er durch eine unheimliche Gewalt auf den Rücken geworfen und blieb bewusstlos liegen. Seit dieser Zeit wurde die Koppel mehr denn je gemieden.

Das Koppelhaus birgt noch eine weitere Sage, die sich in der Franzosenzeit zugetragen haben soll. Die Bewohner des Koppelhauses bewahrten die ergreifende Geschichte von dem jungen beklagenswerten Rekruten noch lange in ihrem Gedächtnis:

Die alte Koppelbäuerin erzählt die Geschichte folgendermaßen:
Ich mag ein kleines Mädchen von 10 Jahren gewesen sein, aber ich weiß alles noch haarklein und genau. Es war das Jahr 1808 mitten im September, ein schöner Herbsttag. Mein seliger Vater hatte den ganzen Tag auf dem Acker gewirtschaftet und mein Bruder Heinrich hatte nach der Schule die Kühe gehütet und dann an der Weser gefischt. Am frühen Nachmittag dröhnten von Minden her Kanonenschüsse. Das waren Salutschüsse für den König von Westfalen, dem König „Immer Lustig“. Vater kam beim Dunkelwerden müde nach Hause, ist aber nach dem Essen, als wir Kinder schon zu Bett waren, noch zur Weser gegangen und hat Aalkörbe aussetzten wollen. Da sind von Minden her noch einmal Schüsse gefallen, und er hat nicht gewusst, was sie bedeuten sollten.

Wie er sich so seine Gedanken macht, ist es plötzlich in den Weiden vor ihm lebendig geworden und eine dunkle Gestalt ist vor ihm aufgetaucht. „Wer ist da?“ rief mein Vater, und im selben Augenblick wusste er, was die Schüsse von vorhin bedeuten sollten. So wurden in diesen Tagen häufig die Deserteure von Minden aus angezeigt.

Da hat auch schon der Ärmste vor ihm gestanden. „Habt Erbarmen mit mir. Ein armer, unglücklicher Landsmann, der verloren ist, wenn Ihr mich nicht rettet.“ Dem Vater ist das Herz weich geworden, er hat alles stehen und liegen lassen, ihn in unser Haus geführt und vorläufig in einem alten Gewölbe des Keller verborgen. Wir Kinder haben ihn nicht zu sehen bekommen. Am anderen Tag haben die Franzosen von Minden her so stark nach ihm gefahndet, dass er in unserem Haus nicht mehr sicher war. Die Franzosen hatten dem, der ihn wiederbrächte, 100 Taler versprochen, dem aber, der ihn verbergen würde, den Tod angedroht. Da haben ihn meine Eltern in der Nacht mit alten Kleidern versehen, ihm ein tüchtiges Reisebündel geschnürt und ihn auf den Weg nach Bremen gewiesen, denn dort wollte er hin. Meinem Vater, der ihn noch ein Stück des Weges die Wiesen an der Weser nach Jössen hinabbrachte, erzählte er noch seine Geschichte:

Er heiße Solling und stamme aus der Gegend von Altena an der Lenne. Die Schulzentochter seines Dorfes sei seine Braut gewesen. Der Schulze habe aber, weil er die tolle Franzosenwirtschaft leid gewesen sei, Haus und Hof verkauft und sei mit seiner Familie nach Amerika ausgewandert. Er aber habe in der Zwangsaushebung Soldat werden müssen und sei so nach Minden gekommen. Aber der Widerwille, den verhassten Franzosen zu dienen und die Sehnsucht nach seiner Braut hätten ihn den Plan fassen lassen über Bremen nach Amerika auszuwandern.

Als er von meinem Vater gehört habe, das nächste Dorf sei Jössen, habe er gesagt, dort wohne ein Onkel, der vor vielen Jahren aus der Heimat abgewandert sei. Er habe ihn nie gesehen, aber mit dem wolle er nichts zu tun haben. Er sei ein schlechter Mensch und ein Geizkragen.

Meine Eltern hatten gehofft, ihm würde die Flucht gelingen. Aber es kam anders. Die nächsten Tage haben sie nichts gehört. Den Sonntag darauf ist ein Soldat aus Minden gekommen und hat ihnen die letzten Grüße des toten Solling aufgetragen, der schon tags darauf, als er von uns fort war, in Minden als Deserteur erschossen worden ist.

In seinem letzten Stündchen hat er seinem Kameraden erzählt, wie alles gekommen sei: Während der Nacht ist er gewandert und gewandert. Als aber der Morgen gekommen ist, sah er zu seinem Schrecken, dass er in der Dunkelheit im Kreis gelaufen war. Todmüde setzte er sich an eine Hecke und überlegte, was weiter zu tun sei. Da kam ein Bauer mit Pferd und Wagen des Weges. Dem hat er sich anvertraut und ihn gebeten, ihn ein Stück des Weges mitzunehmen. Der hat ihn auf den Wagen gelassen und er wäre zwischen Säcken und Stroh rasch eingeschlafen. Aber der Bauer war ein Verräter. Statt nach Bremen fuhr er ihn nach Minden und hat ihn den Franzosen ausgeliefert. Beiläufig hatte ein Offizier den Namen des Deserteurs genannt. Da wusste der Bauer, dass er seines eigenen Bruders Kind verraten hatte. Verzweifelt sprang er auf den Wagen, schlug wie doll auf die Pferde ein und fuhr zur Stadt hinaus. Pferde und Wagen sind in Jössen angekommen, den Bauern hat man nicht wiedergesehen. *3

*1  Friedrich Brinkmann, Was der Hermann Meyer über Lahde und die Flurnamen wusste.
*2  Wilhelm Brepohl, Lahde einst und jetzt, Festschrift zur 800 Jahr Feier
*3  W. Rehling, B. Brey, Geschichte und Geschichten von Petershagen, 1989






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