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Das Arbeitserziehungslager (AEL) Lahde

– eine Recherche und Visualisierung der damaligen Infrastruktur –

(Jürgen Nahrwold in Abstimmung mit Hermann Kleinebenne)

Auch in der Lahder Heimatgeschichte gibt es ein dunkles Kapitel, an das man sich nur ungerne erinnert: Das Arbeitserziehungslager in der NS-Zeit!

Nach der damaligen Definition war das Lager in Lahde zwar kein Konzentrationslager, dennoch sind hier in den 22 Monaten seines Bestehens nahezu 800 Häftlinge zu Tode gekommen. Rein mathematisch entspricht das mehr als ein Toter pro Tag! Ein Gedanke, der uns heute nahezu reflexartig dazu bewegt, dieses schwere Thema schnell wieder zu verdrängen. Dennoch, bei all dem Grauen, das diese dunkle Zeit in uns hervorruft, dürfen wir nicht vergessen, dass wir auch diesen Häftlingen einen Teil unseres heutigen Wohlstandes verdanken. Wie hätte sich Lahde wohl ohne die heutige Staustufe mit dem Schleusenkanal und dem Kraftwerk entwickelt? Einen wichtigen Beitrag hierfür haben eben diese Häftlinge – gegen ihren Willen – geleistet.

Das Foto zeigt den Eingangsbereich mit der Verwaltungsbaracke.

Aufgenommen wurde es
heimlich von W. Borggrefe

Mit der Einrichtung des Lagers in Lahde und seinen zahlreichen Toten wurden auch die Nachbargemeinden in diese dunkle Zeit mit einbezogen. In einer menschenverachtenden Weise wurden die Verstorbenen auf den dafür vorgesehenen Gräberfeldern in Petershagen, Bierde und Lahde beigesetzt. Wobei die Bezeichnung „beigesetzt“ wohl kaum die damalige Praxis beschreibt. In Begleitung des Wachpersonals mussten Mithäftlinge die Gruben ausheben. Die Leichen waren oftmals nur mit Zementtüten eingewickelt, da die Kleidung an andere Lagerinsassen weitergegeben wurde. Ein Geistlicher oder der Friedhofswärter durften nicht anwesend sein.
Auf dem ehemaligen Judenfriedhof in Petershagen ruhen ca. 200 Tote aus dieser Zeit. Hier wurden in erster Linie Juden und Angehörige osteuropäischer Länder begraben. Nachdem die Kapazität in Petershagen erschöpft war, legte man in Bierde einen neuen „Ostarbeiterfriedhof“ an. Die Anzahl der hier ruhenden Häftlinge wird in Bierde heute auf 325 geschätzt. Der Friedhof in Lahde hingegen, war für die Toten der westlichen Nationalitäten vorgesehen. Das dort errichtete Mahnmal berichtet von 102 Leichen. Die Zahlen konnten jedoch nur geschätzt werden, da oftmals 2 oder mehr Leichen in einer Grube begraben wurden. Hinzukommt, dass in den Nachkriegsjahren mehrmals Leichen exhumiert und, sofern sie identifiziert werden konnten, in ihre Heimatländer überführt wurden.
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich in den örtlichen Kulturgemeinschaften (KG) Bierde, Petershagen und Lahde jeweils eine individuelle Gedenk- und Erinnerungsarbeit. Im April 1995 erreichte die Erinnerungskultur mit der feierlichen Einweihung der AEL-Gedenkstätte an der Lahder Dingbreite einen neuen Höhepunkt. Fortan wurde und wird jährlich im Rahmen einer Gedenkveranstaltungen und unter Beteiligung von Schülern der Realschule Lahde (später Sekundarschule Lahde) an die damaligen Ereignisse erinnert.

Seit 2014 unterstützt Hermann Kleinebenne die Gedenkarbeit auf Wunsch der Kulturgemeinschaft mit aufschlussreichen Beiträgen zur Lagergeschichte. Dieser hatte im Rahmen seiner Recherchen über die Infrastruktur des AEL Lahde fortlaufend Bodenfunde gesichert und so einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Lagergeschichte geleistet. Im Rahmen seiner ehrenamtlichen Mitarbeit im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unterstützte H. Kleinebenne auch bei der Aufstellung, chronologisch geordneter Namenslisten der bestatteten Häftlingsopfer auf den drei Gräberfeldern.
Nach einer geophysikalischen Untersuchung des Lager-Areals durch einen Fachbetrieb im August 2019 veröffentlichte die „LWL-Archäologie für Westfalen“ einen Fachbeitrag mit der Überschrift „Konfliktarchäologie verbindet“ in ihrem Jahrbuch 2021. Damit steht der Kulturgemeinschaft Lahde erstmals ein Lageplan des AEL Lahde im Maßstab 1: 1000 mit genauen Details über die Infrastruktur zur Verfügung. Mit Hilfe der Geodaten lässt sich die Struktur des Lagers nun bei Bedarf ohne Berücksichtigung der Jahreszeit und der landwirtschaftlichen Bearbeitungsphase präzise darstellen. Die Geodaten der ermittelten Messpunkte sind bei der städtischen Bauverwaltung digital gespeichert.

Im Jahr 2021 stellte sich Frage, wie die zahlreichen Bodenfunde für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. So entstand die Idee, diese mit Hilfe einer Pfeilergabione auf dem Platz der Gedenkstätte zu platzieren. Im November 2022 konnte dieses Projekt abgeschlossen werden. Die Fundstücke sind nun in der Gabione systematisch von der Kanalisierung bis zum Dach aufgeschichtet und bilden so eine optimale Ergänzung zur Erinnerungskultur.

Zusätzlich erinnern auf dem Judenfriedhof in Petershagen seit 2022 auch vier Namensstelen an die damaligen AEL-Häftlingsopfer, die dort begraben wurden.

Im August 2022 folgte dann eine ganz neue Form der Erinnerungskultur. Mit der Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern und der Freiwilligen Feuerwehr Lahde wurde das Gelände anhand der Geodaten trassiert. Das heißt, das Gelände und die damals darauf befindlichen Gebäude wurden mit Signalbändern markiert. Somit bekam das Gelände ein ganz neues Gesicht und ließ die einstige Bebauung erahnen. Anschließend veranstaltete die KG Lahde unter der Schirmherrschaft der Bürgermeisters Dirk Breves, mit Unterstützung der Verwaltung, am 18.08.2022 eine Besucherführung auf dem ehemaligen AEL-Gelände. Dabei wurden an 17 Stationen die baulichen Merkmale aller Gebäude und Vertiefungen erläutert und durch Präsentation von Archivgut ergänzend veranschaulicht.

Einmessen der einzelnen Gebäude, 16.08.22
Besucherrundgang, 18.08.2022

Im Rahmen der Trassierung fertigte die DRK-Drohnengruppe Petershagen/Lahde eine umfangreiche Dokumentation mit Luftbildaufnahmen an. Auf insgesamt 185 Fotos in sieben parallel verlaufenden Flugstreifen wurde das gesamte Lager erfasst.

Nachfolgend wollen wir Hermann Kleinebenne noch einmal auf seinem Rundgang durch das Arbeitserziehungslager folgen. Hierbei soll die Visualisierung des Lagers mit seinen Baracken und seiner Infrastruktur im Vordergrund stehen. Die geschichtliche Entwicklung des Lahder Lagers wurde bereits in mehreren Büchern und Schriften dokumentiert. Darum sei hier nur am Rande auf die geschichtlichen Hintergründe eingegangen. Im Anhang befindet sich eine Auflistung der weitergehenden Literatur.

Zur Gründung des Arbeitserziehungslagers Lahde schreibt Friedrich Brinkmann in seinem Heft „Das Arbeitserziehungslager Lahde, 1943-1945“ folgendes:

Nach Abschluss der Bauarbeiten am Wehrmachts-Munitionslager in Liebenau (Kr. Nienburg) wurde das dortige Arbeitserziehungslager 1943 nach Lahde verlegt. Hier sollten die durch den Kriegsbeginn unterbrochenen Arbeiten an der Staustufe Petershagen im Zuge der Mittelweserkanalisierung bzw. am Kraftwerk in Lahde wieder aufgenommen werden, um durch dieses Kraftwerk zusätzliche Energie für die Rüstungsindustrie zu gewinnen. (…)

Wann auf den Tag genau das Arbeitserziehungslager errichtet worden ist, ist heute nicht mehr festzustellen. Der damalige Amtsbürgermeister Oetting berichtete in seinen Erinnerungen, dass ihn Anfang des Jahres 1943 zwei Gestapobeamte aus Hannover davon unterrichtet hätte, dass vorgesehen sei, das Arbeitserziehungslager Liebenau nach Lahde zu verlegen.

Nach Unterlagen über den Einsatz von Fremdarbeitern im Kreis Minden waren schon am 28. Mai 1943 Häftlinge aus dem Arbeitserziehungslager Lahde bei einer Baufirma in Bad Oeynhausen eingesetzt. Die erste Eintragung in der amtlichen Liste über Todesfälle des Lahder Lagers datiert auf den 10. Mai 1943.

Der Amtsbürgermeister Oetting hat im Zusammenhang mit der Einrichtung des Lagers darauf hingewiesen, dass die örtlichen Behörden keine Möglichkeit gehabt hätten, etwas gegen die Verlegung des Arbeitserziehungslagers von Liebenau nach Lahde zu unternehmen.

Das Lager entstand an der damaligen Kreisstraße (Reichsstraße 559) von Lahde nach Windheim, der heutigen Bundesstraße 482, auf der östlichen Seite, gegenüber dem Kraftwerk, das zu dem Zeitpunkt noch im Bau war. (…)

Lage des ehemaligen „Arbeitserziehungslagers“ Lahde, eingezeichnet in eine Karte des Jahres 1984


Quelle: Das „Arbeitserziehungslager“ Lahde, 1943 – 1945, Friedrich Brinkmann

Folgen wir nun Hermann Kleinebenne auf seinem virtuellen Rundgang durch das streng bewachte Lager mit seinen Baracken, dem Appellplatz und seiner Infrastruktur. Hierzu sei noch angemerkt, dass die nachfolgenden Objektbeschreibungen in Absprache mit Hermann Kleinebenne auf den Ausführungen seines Buches „Ziegel, Strom und Strömungen“ basieren:

Auf der östlichen Seite der Landesstraße 559 in Richtung Windheim, liegt das Lager mit einer Grundfläche von 230 x 100 m. Die Lageraußengrenzen bestehen aus einem doppelten übermannshohen Stacheldrahtzaun und einer Laufgasse zwischen den beiden Zäunen für scharfe Wachhunde.

An der westlichen Lagergrenze wurde die Trasse der L 559 im Rahmen der Lagererrichtung von fünf auf zehn Meter verbreitert. Die Straßenbäume am Lagerzaun und an der gegenüberliegenden Geländekante zur Unterterrasse der Weser im Lahder Bruch blieben unversehrt.

Der nachfolgende Lageplan zeigt, dass die Gebäude nördlich der Lagerstraße in Nord-Süd Richtung aufgestellt sind. Im südlichen Lagerbereich hingegen, verlaufen sie parallel zur Lagerstraße.

 

 

 

 

     Tor

W = Wasseranschluss; E = Stromanschluss

Liste der einzelnen Objekte gemäß Lageplan:

 1. Baracke der Wache
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 2. Häftlingsbaracke A
___________________________________
 3. Häftlingsbaracke B

___________________________________
 4. Häftlingsbaracke C
___________________________________
 5. Häftlingsbaracke D

___________________________________
 6. Sanitätsbaracke
___________________________________
 7. Baracke der Verwaltung
___________________________________
 8. Handwerker-Baracke

 9. Küchenbaracke
____________________________________
 10. Lagerführerbaracke
____________________________________
 11. Zwei Abortbaracken mit einer dazwischen
        angelegten dritten Senkgrube
____________________________________
 12a. Kesselhaus Hauptgebäude
____________________________________
 12b. Kesselhaus Westflügel

____________________________________
 12c. Kesselhaus Ostflügel
____________________________________
 13. Kohlenschuppen
____________________________________
 14. Brennholzstapel

 15. Rüben- und Kartoffelmiete
__________________________________
 16. Grube für Gemüseabfälle NE
__________________________________
 17. Grube für Gemüseabfälle SE

__________________________________
 18. Feuerlöschteich
__________________________________
 19. Wäschetrocknung ostwärts
        des Kesselhauses
__________________________________
 20. Appellplatz
__________________________________
 21. Doppelgalgen
__________________________________
 22. Splitterschutz-Graben

Das Eingangstor befindet sich an der westlichen Seite des Lagers. Mehrere „Einmannlöcher“ beiderseits des westlichen Lagerzauns dienen den Wachposten als Deckung im Fall eines drohenden Fliegerangriffs vor Bordwaffenbeschuss. In einer Zaunlücke steht das sechs Meter breite Lagertor. Die Einfahrt hat eine Tiefe von zehn Metern und wird schleusen-ähnlich mit Stacheldraht verstärkt. In Höhe des Schilderhäuschens kontrolliert die Wache alle an- und abfahrenden Fahrzeuge und Personen.

Vom Eingangstor aus führt eine sechs Meter breite Lagerstraße durch das gesamte Lagerviereck und teilt die Fläche in einen nördlichen und einen südlichen Lagerbereich. Die Baracken wurden in beiden Bereichen mit einem Abstand von zehn bis zwanzig Metern errichtet. Auch der offiziell vorgeschriebene gleiche Abstand zum Lagerzaun wird überwiegend eingehalten. Beidseits der Lagerstraße verläuft jeweils ein schmaler, mit Betonplatten gepflasterter Gehweg.

Objekt 1: Wachbaracke
Gleich hinter dem Eingangstor auf der linken Seite steht die Unterkunftsbaracke für die Angehörigen des Wachpersonals von Schutzpolizei und Sicherheitsdienst der Gestapo, sowie der SS. Die Baracke enthält Wohn- und Sanitärräume, Küche und einen Wachraum. Ein separater Raum ist mit Gittern gesichert.

Objekt 22: Splitterschutzgraben
Gleich neben der Wachbaracke liegt der drainierte, begehbare und befestigte Splitterschutzgraben. Er war ausschließlich für das Wach- und Verwaltungspersonal vorgesehen.

Objekte 2 und 3: Häftlingsbaracken A und B
Nach Osten schließen sich im vorderen Lagerbereich an der Lagerstraße die Häftlingsbaracken A und B an. Insgesamt beinhaltet das Lager 4 Häftlingsbaracken, wobei die Baracken A und B für die sogenannten „Ostvölker“ wie Polen und Russen vorgesehen sind. In der Baracke C und D werden die „Westvölker“ (Deutsche, Franzosen, Holländer,…) untergebracht.
Die Baracken sind aus standardisierten und vorgefertigten Holzelementen erstellt, die in Modulbauweise zusammengesetzt wurden. Wie alle Häftlingsbaracken enthalten die Unterkünfte, entsprechend den Vorschriften über die Nutzung von Baracken des Heeres, je zehn Wohn- und zwei Waschräume mit Nachtkübeln. In jedem Waschraum steht ein Waschbecken mit sechs Wasserspendern.

Die Wohnräume sind in Anlehnung an die geltenden Vorschriften minimalistisch mit doppelstöckigen Holzbetten, Strohsäcken und je einer Schlafdecke ausgestattet. Jeder Wohnraum hatte eine Größe von 25 qm und ist mit fünfzehn bis zwanzig Häftlingen belegt. Schränke und Tische fehlen. Dafür stehen zwei bis drei Schemel zur Verfügung. Je zwei Häftlinge teilen sich ein Handtuch. Die Beheizung erfolgt durch einen Kanonenofen. Fenster und Außentüren sind lagerbedingt vergittert, oder sie werden in der Nacht mit Blenden verschlossen.

Objekt 11: Abortbaracke
Hinter den Häftlingsbaracken A und B, am nördlichen Lagerzaun liegen zwei Abortbaracken mit einer zusätzlichen Senkgrube für die Entleerung der Nachtkübel. Die Häftlinge durften nachts ihre Baracke nicht verlassen. Für ihre nächtliche Notdurft stand ihnen ein Nachtkübel zur Verfügung. Dieser musste täglich von den Häftlingen geleert werden

Objekte 20 und 21: Appellplatz mit Doppelgalgen
Der Lagerstraße weiter folgend schließt sich der Appellplatz an. Er dient gleichermaßen als Antrittsplatz und Exekutionsort für die Häftlinge. Am Rande des Appellplatzes und in unmittelbarer Nähe der Häftlingsbaracke C steht ein Doppelgalgen.

Einen Eindruck über die bedrückende und menschenverachtende Behandlung der Häftlinge zeigen die folgenden Bilder, die der damalige holländische Häftling de Priester aus seiner Erinnerung gezeichnet hat.

In seiner späteren Vernehmung vor dem Militärgericht sagte der Lagerkommandant Winkler aus, dass es etwa 40 Hinrichtungen gegeben habe. Diese Zahl lässt sich natürlich nicht belegen, da es im Lager noch weitere Tötungen gab. Als Grund wurde dann z.B. „Fluchtversuch“, „ungehorsam“ oder „arbeitsunwillig“ angegeben.

Objekt 12: Kesselhaus
Hinter dem Appellplatz, entlang des nördlichen Lagerzauns liegt das Kesselhaus. Es wurde in Massivbauweise errichtet und hat eine Grundfläche von 400 qm mit einer Bodenplatte aus Beton. Das einstöckige, mit stumpfwinkligem Dach errichtete Gebäude unterteilt sich in einen West- und Ostflügel.

Im Westflügel steht ein Dampfkessel mit unbekanntem Ausmaß. Er versorgt die in zwei Räumen installierten Sammelduschen, sowie die Kleiderdesinfektionsanlage und die Lagerwäscherei mit Heißwasser und Heißluft. Betrieben wird der Kessel mit Kohle oder Koks. Die Rauchgase entweichen in der Nähe des Westgiebels durch einen runden Stummelschornstein auf dem Dachfirst.

Im Westflügel steht ein Dampfkessel mit unbekanntem Ausmaß. Er versorgt die in zwei Räumen installierten Sammelduschen, sowie die Kleiderdesinfektionsanlage und die Lagerwäscherei mit Heißwasser und Heißluft. Betrieben wird der Kessel mit Kohle oder Koks. Die Rauchgase entweichen in der Nähe des Westgiebels durch einen runden Stummelschornstein auf dem Dachfirst.
Im Westflügel liegen außerdem die Garagenplätze für Fahrzeuge, Geräte und für den zweiachsigen Leichenkarren mit Handdeichsel. An der Nordwestecke des Kesselhauses schließt sich noch ein Leichenraum an, in dem die verstorbenen Häftlinge vor dem Abtransport gelagert werden.
Im Ostflügel des Kesselhauses liegt ein Zellentrakt mit zehn ausbruchssicheren und behelfsmäßig beheizbaren Arrestzellen. Zum Eingangsbereich hin sind sie mit hochgelegenen und vergitterten Fenstern ausgestattet. Der gesamte Trakt wird durch eine sechs Zentimeter dicke Betondecke vor Fliegerbeschuss geschützt. Die Verwaltung und Kontrolle der Zellen erfolgt durch das Wachpersonal.
An der Nordwand des Kesselhauses steht in der Lücke zwischen dem Zellentrakt und dem nördlichen Lagerzaun der Zwinger der Wachhunde sowie ein Kaninchenstall.

Objekte 4 und 5: Häftlingsbaracken C und D
Folgen wir der Lagerstraße vom Appellplatz weiter, liegt zunächst die Häftlingsbaracke C und dahinter die Häftlingsbaracke D. Sie ist von ihren Ausmaßen kleiner gebaut. Die Baracke D wurde nach einem Brand neu errichtet. Hier sind die deutschen und holländischen Häftlinge untergebracht. F. Brinkmann wies in diesem Zusammenhang auf eine Anordnung des Reichsführers der SS, Himmler, hin. Dieser Erlass sah vor, dass in der Behandlung und Ernährung der Lagerinsassen grundsätzlich Unterschiede zwischen Angehörigen von „Westvölkern“ (Franzosen, Belgier, Holländern usw.) und von „Ostvölkern“ (Polen, Russen, usw.) gemacht werden sollen. Die Ostvölker sollten einer schärferen Behandlung unterzogen werden.

Objekt 16: Gemüseabfallgrube

Östlich von ihr folgt eine Grube für Gemüseabfälle. Sie hat eine Tiefe von bis zu 5 m. Hier kam es zu einer niederträchtigen Häftlingsexekution durch den Lagerkommandanten. Ein Gefangener wollte sich Essensreste aus der Grube holten, um seinen Hunger zu stillen. Dabei wurde er jedoch vom Kommandanten Winkler gesehen. Dieser eilte nach eigenen Angaben zur Grube, stellte die Häftlinge zur Rede und erschoss ihn anschließend mit seinem Karabiner als mahnende Abschreckung für übrigen Gefangenen.

 


Foto: Auszug aus der Prozessakte zu Exekution des Häftlings an der Abfallgrube

F. Brinkmann beschrieb die Situation etwas anders: Auch der Lagerkommandant Winkler hat sowohl bei seiner Vernehmung im Lager Staumühlen 1946 als auch vor dem Militärgericht in Wuppertal 1947 zugegeben, zwei Gefangene mit dem Karabiner erschossen zu haben, als sie versuchten, Gemüsereste aus dem Abfallhaufen neben der Küche zu stehlen. Ein Zeuge, ein Mitglied der Wachmannschaft, erklärte, dass die Schüsse vom Kommandanten aus seinem Zimmer heraus durch das offenen Fenster abgegeben worden seien und dass es sich bei den Häftlingen um zwei russische Offiziere gehandelt habe.
Nicht nur für diesen Vorfall (Mord) wurde der Lagerkommandant später zur Rechenschaft gezogen.

Objekt 6 Sanitätsbaracke
An der östlichen Lagergrenze endet die Bebauung mit der Sanitätsbaracke. Sie verfügt über einen Behandlungsraum, eine Isolierstation und einem Krankenrevier. Als Lagerarzt wurde damals Dr. med. Joachim aus Lahde verpflichtet. Auch der Lagerarzt hatte keinen Einfluss auf die Behandlung der Gefangenen. Selbst zum Ausstellen der Totenscheine bekam er die Verstorbenen oftmals gar nicht zu Gesicht.
Wenden wir uns nun der südlichen Seite des Lagers zu und gehen wieder Richtung Eingangstor.

Objekte 17 und 18: Abfallgrube und Feuerlöschteich
Neben der Sanitätsbaracke in südlicher Richtung befindet sich eine weitere Grube für Gemüseabfälle. Sie hat die gleichen Abmessungen wie die Grube hinter der Häftlingsbaracke D (Station 16). Wenige Meter weiter folgt der, auf 15 Metern im Quadrat angelegte und wahrscheinlich mit Bitumenpappe abgedichtete Feuerlöschteich. Er hat ein Fassungsvermögen von mehr als 100 Kubikmetern.

Objekt 15: Rüben und Kartoffelmiete
Vom Feuerlöschteich etwa zehn Meter weiter westlich, liegt die Rüben- und Kartoffelmiete.

Sie hat eine Größe von 30 x 7 m und eine Tiefe von etwa zwei Metern. Der Eingangsbereich an der Nordwestecke wird durch ein Holzgerüst mit einem quadratischen Flachdach vor Witterungseinflüssen geschützt. Eine Holztreppe führt in die frostsichere Tiefe der Miete. Der Mittelgang und die beiderseits liegenden Gefache für die Vorräte sind auf ihrer ganzen Länge mit Holzrosten ausgekleidet. Das Fassungsvermögen der Gefache umfasste ca. 250 Kubikmetern. Auf dem in der Tiefe aufgestellte Balkengerüst ruhte ein Satteldach. Die Dachkonstruktion wird an den Traufen und auf den Dachflächen mit dem Bodenauswurf auf einer Holzlattung abgedeckt. So ist der Innenraum gegen Feuchtigkeit, Frost und Sicht geschützt. Ein wettergeschützter Kamin sorgt für die ausreichende Belüftung. Die Firsthöhe der Anlage liegt etwa drei Meter über dem Boden.

Objekt 10: Lagerführerbaracke
Direkt an der Lagerstraße befindet sich die kleine aber dennoch komfortabel gegliederte Wohnbaracke des Lagerführers.

Winkler mit der Lagerköchin auf der Bank
Karl Winkler mit Hund

Der Lagerkommandant Karl Winkler überlebte den Krieg und wurde 1947 im Kriegsverbrecherprozess zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde jedoch nicht vollstreckt, sondern wie damals üblich, in eine langjährige Haftstrafe umgewandelt.

Objekt 9: Küchenbaracke
Wenige Meter westlich von der Lagerführerbaracke liegt, auf Höhe des Appellplatzes das langgezogene Wirtschaftsgebäude mit Küche und Speisesaal. Die Küchenbaracke verfügte auch über einen begehbares Kellergeschoss, in dem die leicht verderblichen Vorräte gelagert werden.

Objekte 13 und 14: Kohlenschuppen und Brennholzstapel
Parallel zur Küchenbaracke, in unmittelbarer Nähe des Lagerzauns stehen die Brennholz-stapel (Objekt 14). Gleich daneben, in westlicher Richtung steht der Kohlenschuppen. Es ist ein einfacher Ziegelbau, in dem der Koksvorrat für den Betrieb des Kesselhauses und der ofenbeheizten Baracken gelagert wird. Das Gebäude ist mit vier Türen und vier Fenstern ausgestattet.

Objekt 8: Handwerkerbaracke
Der Lagerstraße weiter Richtung Eingangstor folgend schließt sich die Handwerkerbaracke an. Hier befinden sich neben einer Tischlerei noch weitere Häftlings-Arbeitsplätze für Schneider, Schuster und Schlosser. Handwerklich begabte Häftlinge mussten hier im Auftrag der Lagerverwaltung unter anderem Arbeiten für externen Auftraggebern ausführen. In der Kleiderkammer der Handwerkerbaracke lagert die private Bekleidung der Häftlinge. Je nach Bedarf werden hier Häftlingsbekleidung und Schuhwerk ausgegeben. Das einfache Schuhwerk besteht aus einer Holzsohle mit einfachen Lederkappen.

Objekt 7: Verwaltungsbaracke
In mittelbarer Nähe zum Eingangsbereich des Lagers steht die Verwaltungsbaracke. Sie verfügt über mehrere Büro- und Schlafräume. An den Türen weisen Namensschilder auf den jeweiligen Mitarbeiter hin. Zusätzliche Anweisungen regeln die Verhaltensweise im Fall einer Alarmierung des Lagerbereichs.

Der Eingangsbereich ist dekorativ mit Bäumen und Sträuchern angelegt. Ein Fahnenmast sowie ein aus Steinen zusammengesetztes SS-Symbol weisen auf die Hausherren hin. Später, in der „Polenzeit“ waren in den Baracken zahlreiche lettische Familien untergebracht. Sie gestalteten das einstige Symbol zur lettischen Nationalflagge um. Hiervon berichtet das Abschlussbild dieser Dokumentation.

In der Nordwestecke des Lagers befindet sich der tiefste Punkt des Lagerareals. Hier liegt der Sammler für die Lagerkanalisation vergraben. Der überwiegende Teil der im Arbeitserziehungslager Lahde erzeugten Abwässer entsteht durch den Betrieb der Kesselhausanlagen und der Lagerküche. Angesichts einer Belegschaft von etwa 1.000 Personen des Arbeitserziehungslagers kann von einem durchschnittlichen Wasserbedarf von mindestens sechzig Litern pro Kopf und Tag ausgegangen werden, was zu einer ausreichenden Verdünnung der Abwässer führte. Die gemischten Abwässer wurde über den gemauerten Sammelschacht an der Straßenböschung westlich der L 559 direkt in den ausgebauten Riehebach-Vorfluter eingeleitet werden.

Damit endet der virtuelle Rundgang. Wir erreichen wieder die Reichsstraße 559 und hinter uns schließt sich das schwere Lagertor wieder.

Abschließend lassen wir noch einmal Friedrich Brinkmann zu Wort kommen, der von der Auflösung des Lagers berichtet:
Als Ende März 1945 die alliierten Truppen von Westen kommend sich dem hiesigen Raum näherten, wurde das Lager in Lahde geräumt und der größte Teil der Insassen in Richtung Osten in Marsch gesetzt. Schon einige Zeit vorher hatte der Kommandant nach seinen späteren Aussagen bei einer Besprechung in Hannover die Anordnung erhalten, auf Bescheid von der Gestapostelle etwa 200 Häftlinge, die für die Sonderbehandlung vorgesehen waren, erschießen zu lassen, wenn das Lager aufgelöst werden müsse. Kurz vor der Räumung des Lagers am 1. April 1945 traf dann dieser Befehl zur Exekution der „gefährlichen“ Strafgefangenen ein. Lagerkommandant Winkler will sich sofort mit dem Bürgermeister in Lahde in Verbindung gesetzt haben, um durch ihn über den Landrat des Kreises Minden eine Verhinderung dieses Massenmordes zu erreichen. Bürgermeister Wilhelm Oetting berichtet von einer erfolgreichen Intervention, die von ihm ausgegangen sei und über den Landrat eine Aufhebung des Befehls aus Hannover bewirkt habe. Oetting führte aus, der Lager-kommandant habe bei ihm eine Sonderration Alkohol beantragt und auf Befragen die geplante Massenerschießung als Grund genannt. Es kann als gesichert gelten, dass es Oetting zu verdanken ist, dass diese Massenexekution nicht in Lahde durchgeführt wurde.

Am 2. April 1945 setzten sich die überlebenden Häftlinge in 3 Kolonnen Richtung Hannover in Marsch. Es würde zu weit führen, wenn wir an dieser Stelle der Geschichte dieser Gefangenentransporte weiter folgen. Darum sei noch einmal auf das Literaturverzeichnis im Anhang hingewiesen.

So schließt sich auch für die Lahder Bevölkerung der erste Teil des dunklen Kapitels. Das Lager war aufgelöst und die Bevölkerung wartete mit großen Befürchtungen auf die heranrückende Front der Alliierten. Als diese am 6. April 1945 über Lahde hinweg zog, kommt es zum Glück, abgesehen von einzelnen Scharmützeln, zu keinen größeren Kampfhandlungen.

Es sollte allerdings nicht lange dauern und das ehemalige Arbeitserziehungslager rückt noch einmal in den Mittelpunkt der Ereignisse. Diesmal jedoch aus einem friedlichen und humanitären Aspekt heraus. Nachdem die Front immer weiter Richtung Osten vorrückte, drängten die Flüchtlingstrecks und Zwangsarbeiter Richtung Westen. Vor der Weser stauten sich die Flüchtlinge, da die Brücken und Fähren zerstört waren und die Militärbrücke der Alliierten nicht benutzt werden durfte. Es begann in Lahde und Umgebung die sogenannte „Polenzeit“. Der nicht enden wollende Zustrom von Flüchtlingen stellte die britischen Besatzer in Lahde vor enorme Herausforderungen. Die Menschen mussten versorgt und untergebrach werden. Noch am 6. April ließ der Lahder Bürgermeister Oetting das ehemalige Arbeitserziehungslager und das Ostarbeiterlager als Flüchtlingsunterkunft herrichten. Fortan wurde das einstige Arbeitserziehungslager als „DP-Camp 3“ gezeichnet. Der Volksmund nannte es auch das „Baltenlager“.

Doch schon wenig später reichten diese Lagerbaracken nicht mehr aus und mit der Räumung der sogenannten „Polendörfer“ begann für Lahde und der umliegenden Orte das zweite Kapitel der dunklen (Nach-) kriegszeit. Aber auch dieses Thema soll hier nicht weiter verfolgt werden.

Wenden wir uns zum Abschluss noch einmal dem Barackenlager zu. Innerhalb weniger Tage wandelte sich der Lager-Charakter, weg von der menschenverachtenden NS-Ideologie hin zu einer humanitären Einrichtung der U.N.R.A. *1. Allerdings waren die damaligen Möglichkeiten natürlich sehr begrenzt. Mit den Kindern zog neues Leben ein, Familien fanden vorübergehend eine Unterkunft und es wurde sicher auch mal wieder gelacht im einstigen Arbeitserziehungslager Lahde.

Aus dieser Zeit stammen die folgenden Bilder, die noch mal den Eingangsbereich des Lagers zeigen. Jetzt allerdings mit Flüchtlingsfamilien, die hier vorübergehend eine Unterkunft gefunden hatten.

Das ehemalige steinerne SS-Symbol wurde kunstvoll umgestaltet zum lettischen Staatswappen. Hier befand sich auch die lettische Lagerschule.

 

 

Quelle: Hermann Kleinebenne, Im Ausländerlager Lahde

Literaturhinweise:
F. Brinkmann: Das Arbeitserziehungslager Lahde 1943 – 1949
H. Kleinebenne: Im Ausländerlager Lahde
H. Kleinebenne: Die Weserlinie, Kriegsende 1945
H. Kleinebenne: Ziegel, Strom und Strömung
W. Gerdes: Lahde 1945 – 1949
S. v. Behrens: Die Zeit der Polendörfer
Herbert Marowsky: Hier wird jeder Wille gebrochen

 


*1 Die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) wurde als Welthilfsorganisation am 9.
Oktober 1943 in Atlantic City (New Jersey, USA) gegründet.






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