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Der Kanalbau

Lahde einst und jetzt
von Wilhelm Gerdes
(Ausgabe 17, April 2006)

70 Jahre ist es in diesem Jahr her, dass die Voraussetzungen für den späteren Reichtum der politisch selbstständigen Gemeinde Lahde begonnen wurden. 1936 begann man mit dem Bau des Schleusenkanals zwischen Lahde und Windheim. Dieser Kanalbau bewirkte zum Beispiel, dass das Kraftwerk, das zuerst in Wietersheim geplant war, seinen Platz in Lahde gefunden hat. Mit den Planungen des Schleusenkanals sind einige abenteuerliche Ereignisse verbunden, über die ich Ihnen in diesem Blättchen berichten möchte.

Nach jahrzehntelangen Diskussionen und Planungen begann man Anfang Juli 1936 im Rahmen der Kanalisierung der Mittelweser mit dem Bau der Staustufe Petershagen durch Baggerarbeiten an der Straße zwischen Lahde und Wietersheim. Dieser Stichkanal zwischen dem Lahder Damm und dem Stapelberg bei Windheim gehört zu einer der fünf Staustufen, die auf der 156 km langen Wasserstraße bis Bremen geplant waren, nämlich Petershagen, Schlüsselburg, Landesbergen, Drakenburg und Langwedel. Mit der Kanalisierung der Weser sollte ein ständiges Problem der Schifffahrt auf diesem Fluss gelöst werden, das war der niedrige Wasserstand im Sommer, der dauernd an bzw. unter der Grenze der Schiffbarkeit lag. Im Durchschnitt ließ der niedrige Wasserstand für die Dauer von fünf Monaten im Jahr eine volle Beladung der Lastkähne nicht zu. In extrem trockenen Jahren wurde diese Zeitspanne erheblich ausgedehnt. So waren es z.B. 1921 zehn Monate, 1929 neun Monate und 1935 sieben Monate, in denen nur mit Teilladungen bzw. überhaupt nicht gefahren werden konnte. Die Bauarbeiten für den Stichkanal zwischen Lahde und Windheim übernahm die Firma Polensky und Zöllner aus Köln. Im Zusammenhang mit dem Beginn der Baumaßnahmen für die Staustufe Petershagen wurde in der Lahder Marsch das Auebett gegen Ende des Jahres 1936 umgelegt. Nach Angaben von Kantor Bracht in der Schulchronik der Lahder Schule haben die Baggerarbeiten für diese Verlegung fünf Wochen in Anspruch genommen, im Frühjahr 1937 sind die

aufgeschütteten Flächen neu eingesät worden. Der Boden für die Aufschüttung der Marsch kam von den Bauarbeiten für den Schleusenkanal. Die Aufschüttung betrug für die gesamte Fläche in der Marsch ca. 1 Meter.

Für den Verlauf des Stichkanals der Staustufe Petershagen hatte es ursprünglich in der Planung drei verschiedene Linienführungen gegeben, eine westliche (I) eine mittlere (II) und eine östliche (III). Es gab erheblichen Widerstand gegen das Projekt des Kanalbaues, vor allem von Seiten der Landwirtschaft. Besonders in den beiden hauptsächlich betroffenen Gemeinden Lahde und Jössen wehrten sich die Bauern gegen den Verlust wertvollen Ackerbodens in der Marsch, der mit der Linienführung (I) verbunden war. Aber auch gegen die sogenannte Mittellinie und gegen die sogenannte Ostlinie des Weserkanals östlich vom Dorf, sogenannte Linie (III). Die Linie würde das Dorf in zwei Teile zerschneiden, das alte Dorf würde von dem Bahnhof vollkommen angeschnitten werden, eine hohe Rampe wäre bei der Überführung der Straße zum Bahnhof nötig, der viel wertvolles Baugelände und unsere schöne Kastanienallee, der Schmuck unseres Dorfes, zum Opfer falle würde. Die Grunderwerbskosten würden für dieses Bauvorhaben recht hoch sein. Die Grundstücke, welche dieser Linienführung in Anspruch nehmen müssten, zwischen Eisenbahn und altem Dorf, sind zum größten Teil wertvolles Baugelände und für die Entwicklung des Dorfes unentbehrlich und zum anderen Teil Acker, der heute größtenteils an Arbeiter und Kleinbauern verpachtet ist. Sie würden durch die Fortnahme in große Bedrängnis kommen, Ersatz ist nicht zu beschaffen. In der Lahder Marsch liegt der beste Ackerboden der Gemarkung. Die Marsch würde in ihrer ganzen Ausdehnung quer durchschnitten. Viel wertvoller Boden würde verloren gehen, der Rest durch den hoch liegenden Kanal versauern und versumpfen. Wir bitten die Kanalbauverwaltung bei der Auswahl der Linienführung auch unsere Gründe gegen die Linie (III) einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.“

In der Zeit vom 20. April bis 3. Mai 1935 wurde die Planung in allen beteiligten Gemeinden entlang der Weser von Minden bis Döhren und beim Landrat ausgelegt. Zusätzlich fanden in Windheim und Lahde Erörterungstermine statt, bei denen besonders die Argumente der Landwirtschaft zur Sprache kamen. Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten der westlichen Linie (I), wirtschaftliche Gründe wie die Mehrkosten und der größte Landbedarf bei den anderen projektierten Linien sowie schifffahrtstechnische Gründe hatten den Ausschlag gegeben.

In dem Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Minden wurden auch die zahlreichen Eingaben der Gemeinde Lahde und Jössen sowie die von Betrieben, Landwirtschaft und Einwohnern aus diesen Orten abgehandelt, abgelehnt bzw. auf andere Verfahren verwiesen. Bei diesen Ansprüchen handelte es sich vor allem um solche auf Maßnahmen zur Wiederherstellung von Zufahrten, Wasserabführungen, Errichtung von Brücken, auf Mehrunterhaltungskosten von Brücken, Wegen, Gräben, auf Verwässerungsschäden, auf Verhütung und Entschädigung von Trockenschäden, Erstattung von Fischereischäden oder auf Verhütung bzw. Entschädigung bei Betriebsstörungen und Erschwernissen.

Die Liste der Antragsteller umfasste zuweilen 60 Namen von Landwirten und Betrieben, die aus Ortschaften zu beiden Seiten der Weser stammten, angefangen von Todtenhausen bis hinauf nach Döhren. Der Schluss dieses Dokumentes vom Februar 1936 ist bezeichnend für seine Zeit. Man ging noch einmal auf die Einwände der Landwirte ein, die besonders vom Ortsbauernführer in Lahde und vom Kreisbauernführer unterstrichen worden waren. Die Weserlinie wurde als die vorteilhafteste bezeichnet, auch wenn sie in einigen Fällen den Bauern Opfer abverlangten, die aber im nationalsozialistischen Gemeinsinn und in der freundlichen Bereitschaft zur Durchführung des vom Führer aufgestellten Programmes getragen werden müssten. Nach fünf Jahren mussten die Arbeiten auf der Großbaustelle der Staustufe Petershagen, die nach Berichten nicht unerheblich zur Verringerung der Arbeitslosigkeit in unserem Raum beigetragen hatten, wegen des 2. Weltkrieges eingestellt werden.

Im Jahr 1950, zwei Jahre vor der Gründung der Mittelweser AG, beschloss die Bundesregierung Deutschland, die Wiederaufnahme der Arbeiten an der Staustufe Petershagen und am Schleusenkanal, der bisher unvollständig geblieben war. In der Polenzeit versuchten die Dps in den teilweise hergerichteten Teilabschnitten des Kanals zu angeln. Dabei wurde häufig Munition verwendet, um die Schwimmblasen der Fische zu treffen. Am Abend des 17. Oktober 1953 war es dann soweit, die Schütze des Stauwerkes Petershagen-Lahde senkten sich auf Knopfdruck, und das Wasser des Kanals und der Weser stieg im Zeitlupentempo in mehreren Tagen auf 36,50 Meter über Amsterdamer Pegel an. Wenn man den eigentlichen Beginn der Bauarbeiten mit den ersten Ausschachtungen für die Schleuse Windheim im Jahr 1933 ansetzt, dann waren fast genau 20 Jahre vergangen, bis die Staustufe Petershagen in Betrieb genommen wurde.

Herausgeber: Ortsheimatpfleger Wilhelm Gerdes mit Unterstützung der Kulturgemeinschaft






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