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Der Königspokal aus Lahde

Lahde einst und jetzt
Wilhelm Gerdes
(Ausgabe 10, Juli 2004)

Blättert und studiert man die Geschichte unseres Ortes, kommen uns in der heutigen Zeit skurrile und absonderliche Erlebnisse vors Auge, die vor fast 200 Jahren den damaligen Ortsbewohnern hoch und heilig waren und ein Zeichen von besonderer Verehrung und Gunst waren. Heute können wir darüber nur noch lächeln, aber so ändern geschichtliche Ereignisse ihren Stellenwert. Berichten möchte ich ihnen vom Königspokal in Lahde.

Westlich der Kirche von Lahde, liegen noch heute die im Jahr 1471 von dem Kloster Loccum gegründeten 3 Meyerhöfe. Die Hoffläche des vierten, der im 30jährigen Krieg zerstört wurde, ist im 18. Jahrhundert von dem Hof Nr. 1 angekauft worden.

Auf dem Hof Nr. 1, der schon seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Meyer ist, wird seit fast 200 Jahren als kostbares Familienerbstück ein silberner Pokal aufbewahrt, der als Königspokal besonders in Ehren gehalten wird. Seinen Namen hat er auch mit vollem Recht verdient, denn ein preußischer König, Friedrich Wilhelm der III. hat ihn einem der Vorfahren von Eberhard Meyer, dem heutigen Besitzer, geschenkt, und ein anderer König von Preußen hat daraus als erster getrunken. Die Geschichte dieses Pokals ist ein Beispiel für die enge Verbundenheit, die in jenen Zeiten zwischen dem preußischen Königshause und seinen Untertanen bestand. Sie gibt uns aber gleichzeitig einen Beitrag zur Lebensgeschichte des ersten Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, des Freiherrn von Vincke, der durch sein schlichtes und volksverbundenes Auftreten sich überall, wo er wirkte, die Herzen seiner Mitmenschen gewann.

Von Vincke war schon in jungen Jahren Landrat von Minden geworden. Bei seinen vielen Rundreisen in der Kutsche durch den seiner Fürsorge anvertrauten Kreis hatte er auch den Besitzer des Meyerhofes Nr. 1 kennen gelernt. Das war etwa um 1800. Christian Friedrich Meyer war Bauer auf seinem Hof. Später nach 1816, als von Vincke zum Oberpräsidenten befördert worden war, kam er natürlich seltener nach Lahde. Auf dem Hof saß jetzt natürlich ein anderer Meyer als Hofbesitzer. Anton Heinrich hatte die Nachfolge von seinem 1810 verstorbenen Vater angetreten. Aber mit der noch lebenden Mutter unterhielt sich von Vincke gerne auf der Deele vorm offenen Kaminfeuer sitzend über die Probleme der heimischen Landwirtschaft.

Als er im Jahr 1836 wieder einmal in Lahde weilte, wurde ihm ein dressierter Dompfaff vorgeführt, der ihm besondere Freude bereitete. Der damalige Anerbe des Meyerhofes Nr. 1, Christian Meyer hatte dem Dompfaff die Melodie der preußischen Königshymne antrainiert: Heil dir im Siegerkranz. Von Vinckes Bitten, ihm den musikalischen Vogel zu schenken, blieb ohne Erfolg. Schließlich bat von Vincke den Bauern, dem König mit dem Dompfaff eine Freude zu bereiten. Diesen Vorschlag konnte Christian Meyer nun doch nicht ablehnen. Von Vincke fragte in Berlin bei Hofe an und erhielt den zusagenden Bescheid, dass der junge Bauer mit seinem Vogel in Berlin am Hofe willkommen sein.

So einfach wie heute war das Reisen damals nicht. Seit 3 Jahren gab es zwar eine Eisenbahnverbindung zwischen Nürnberg und Fürth, aber zwischen Lahde und Berlin verkehrte nur die Postkutsche. Dabei führte die Reisestrecke auch durchs Ausland. Schaumburg-Lippe und Hannover waren nicht preußisch. Der junge Bauer brauchte deshalb einen Reisepass. In jenen Tagen der freiheitlichen Bestrebungen war man bei allen Reisenden sehr misstrauisch und kontrollierte an jeder Grenze genau.

Dieser Reisepass enthielt nicht nur die Personenbeschreibung, sondern auch Weg, Ziel und Zweck der Reise. Außerdem eine Anweisung an alle Behörden, Christian Meyer alle Hilfe (Hülfe) zu teil werden zu lassen. Umsonst gab es einen solchen Pass jedoch nicht. Die ausstellende Behörde verlangte 15 Silbergroschen Gebühr und 1 ½ Silbergroschen Stempelgeld.

Anfang April 1837 kam Christian Meyer in Berlin an und überreichte am Berliner Stadtschloss seinen Dompfaff. Der König zeigte sich hocherfreut. Er stellte Meyer ein Zimmer im Schloss als Unterkunft zur Verfügung und gab ihm einen ortskundigen Grenadier als Führer und Leibwächter zur Seite. Außerdem ließ er für ihn folgende Legitimation ausstellen, durch die Christian Meyer freien Zutritt zu allen Sehenswürdigkeiten, von allen Dingen den staatlichen Museen hatte.

Vorzeiger dieses, der Landmann Christian Meyer aus dem Mindischen, der auf allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Königs hier ist, sollen alle Merkwürdigkeiten gezeigt werden, daher ersuche ich die Herren Vorsteher der Königlichen Institute und die Königlichen Kastellane, ihn alles sehen zu lassen.

                                                                                                                      Berlin, den 8ten April 1837

Als Meyer nun nach den acht Tagen, die auch im Pass als die Dauer seines Aufenthaltes eingetragen waren, zurückkehren wollte, erklärte ihm der König Friedrich Wilhelm III in seiner bekannten etwas kurz angebundenen Sprechweise: „Bleib er noch! Er hat jetzt nichts auf seinem Bauernhof zu versäumen.“

Schließlich kam aber doch die Zeit für die Heimkehr, da schenkte ihm der König als Dank für das Erlebnis mit dem musikalischen Dompfaff einen Pokal. Er trägt auf der Außenseite den Namenszug des Königs mit der preußischen Krone, und den Deckel schmückt eine sehr zierlich gearbeitete Rose.

Die Geschichte des Pokals ist damit aber noch nicht zu Ende. Sie erfuhr 5 Jahre später eine Fortsetzung. 1840 war Friedrich Wilhelm III. verstorben. Sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm IV. stattete im Jahr 1842 Minden seinen ersten Besuch ab. Er kam mit seiner Gemahlin am 23. August an und wurde in einer Wohnung der preußischen Kommandantur am kleinen Domhof untergebracht. Hier nahm am folgenden Morgen das Königspaar die Huldigung der Landbevölkerung aus den Kreisen Minden und Lübbecke entgegen. Die Einwohner zogen in großer Zahl – 5600 Personen waren erschienen – in ihren bunten Trachten an dem Königspaar vorbei. Dabei überreichten sie der Königin allerlei Geschenke und Gaben. Der Festumzug war nach den einzelnen Gemeinden gruppiert. Als die Lahder Bauerngruppe das Königspaar erreicht hatte, da rührte vor allem ein Vorgang, wie das Mindener Sonntagsblatt berichtete, alle Zuschauer auf das Innigste. Auf Veranlassung des Christian Meyer aus Lahde hatte nämlich der Landrat von Korff bei dem König die Erlaubnis eingeholt, den seiner Zeit vom König gestifteten Pokal im Festzug vorzeigen zu dürfen. Der König hatte sogar zugesagt, den bisher von fremden Händen unberührten Pokal durch den ersten Trunk einzuweihen. Seine Majestät befahl den Pokal mit Wein zu füllen, danach leerte er ihn, am offenen Fenster stehend mit dem Gesicht der staunenden Menge zugewandt mit einem dauernden Wohlsein auf seinen treuen Untertanen Christian Meyer.

Ein Erinnerungszeichen an diesen Festumzug gab es außerdem. Alle 24 Kranzjungfrauen auf dem Erntewagen, die der Königin den Erntekranz überreicht hatten, erhielten später eine extra geprägte Denkmünze. Sie trug auf der Vorderseite das Bildnis der Königin und auf der Rückseite die Inschrift d. 23. August 1842. Vielleicht ist sie auch noch auf anderen Lahder Bauernhöfen erhalten geblieben. Auf dem Lahder Meyerhof soll auch noch eine goldene Brosche, ein Geschenk der Königin, erhalten gewesen sein. Über ihren Verbleib ist heute aber nichts mehr bekannt.

erausgeber: Ortsheimatpfleger Wilhelm Gerdes mit Unterstützung der Kulturgemeinschaft






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