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Die alte Schmiede Helbig

Lahde einst und jetzt
von Wilhelm Gerdes
(Ausgabe 11, Oktober 2004)

Altem Handwerk in unserem Dorf nachzuspüren, ist sicherlich auch eine der Aufgaben des Ortsheimatpflegers. In dieser Ausgabe hat sich damit Helmut Sackhoff, Neuer Graben, verdient gemacht, in dessen Namen ich seine Recherche veröffentliche. Viel Spaß an der örtlichen Geschichte.

Die alte Schmiede Helbig, Schmidt und  Wiese, in Lahde am Postweg zwischen Minden und Nienburg.

Gegenstand dieser Ausarbeitung ist die Entwicklung der drei verschiedenen Schmiedefamilien im Zeitraum  des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Generell werden in diesem Beitrag Übersetzungen aus alten Urkunden in der damals üblichen Sprach- und Schreibform übernommen. Die Aufzeichnungen beginnen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Schmiedehandwerk ist eines der ältesten Handwerksberufe in unserem ländlichen Raum.

Der Geselle Johann Henrich Helbing (Später Helbig) von Schlotheim aus dem Fürstentum Rudolstadt (Thüringen) wird im Alter von 23 Jahren am 20. July 1768 in Ovenstädt mit der Tochter des verstorbenen Schmiedemeisters Gerhard Wilhelm Sacksof(f)sky (später Saxowsky), Catharina Margaretha Eleonore, getraut am 16. Majo (Mai) 1748 in Ovenstädt (Preußen) copuliert. Der Aufenthaltsort der ersten dreieinhalb Jahre nach der Verheiratung muss außerhalb von Ovenstädt und Lahde gewesen sein, da die Geburts- bzw. die Sterbeeinträge des erstgeborenen Sohnes in keinem der beiden Orte vorgenommen wurde.

Ab 1772 war das Ehepaar in der Bauerschaft Lahde ansässig. In der Folge sind dann in Lahde bis 1789 neun weitere Kinder geboren worden. Von den insgesamt 10 Kindern starben die meisten im Kindesalter.

Der Wohnort der Eheleute mit den Kindern in Lahde ist nicht bekannt. Bei den Kirchenbucheinträgen ist in der Spalte „Ort, wo die Eltern wohnen“ nur „Lahde“ eingetragen. Ein Hinweis auf die Hausnummer bzw. „bei Nr.“ ist bei allen Eintragungen nicht zu finden. Als Stand (Beruf) des Vaters wird Soldat, Schmied oder Soldat und Schmied (Grobschmied) angegeben.

Von 1782 bis etwa 1787 war Helbig Soldat unter dem „von Waldeckischen“ Regiment in Minden. Es ist davon auszugehen, dass er bis Ende der 80er Jahre seinen Lebensunterhalt als Schmied und Soldat bestritten hat. Es war die Zeit Friedrich des Großen (der „Alte Fritz“). Durch ihn war Preußen zur Großmacht geworden, und hatte 1780 bei knapp 6 Millionen Einwohnern, 195.000 Soldaten. Nach der handwerklichen und der anschießenden zweijährigen militärischen Ausbildung hat der Schmied und Soldat Helbig mit großer Wahrscheinlichkeit überwiegend nur in der Zeit zwischen Aussaat und Ernte gedient. Ansonsten war er, wie damals in Friedenszeiten üblich, „Urlauber“. Um den Sold aufzubessern hat er in der sogenannten „Urlaubszeit“ in seinem erlernten Beruf gearbeitet oder war in der Landwirtschaft beschäftigt.

Nach Beendigung der Militärzeit wurde Ende der 1780er Jahre das Wohnhaus mit einer kleinen Schmiede gegenüber dem Lahder Krug, heute „Vor der Reihe 9“, errichtet. Das Gebäude bekam später die Hausnummer 44.

Lageplan

Das Areal für die Schmiede war gut gewählt, denn mit dem Lahder Krug (heute Schlechte) war eine Zollstation verbunden. Ferner war in Lahde für die Bocktreiber der Treidelschifffahrt auf dem Gelände des Lahder Kruges eine Ausspannstation für Gespannführer und Pferde vorhanden. In der Ausspannzeit konnten die Pferde nach Bedarf in der Schmiede neu beschlagen werden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Lahder Krug auch eine Umspannstelle der Fahrpostverteilung zwischen Minden und Nienburg. Für den Schmied war die Umspannstelle eine zusätzliche Einnahmequelle, basierend auf Hufbeschlag und Reparaturarbeiten an den Kutschen.

Johann Henrich Helbig hat nach Beendigung seines aktiven Berufslebens die Stätte Nr. 44 seinem Sohn Borchard Heinrich Friedrich Wilhelm übertragen und ist anschließend mit seiner Ehefrau zu seiner verheirateten Tochter nach Petershagen verzogen, wo er 1826 im hohen Alter von 81 Jahren verstorben ist. Friedrich Wilhelm, geb. am 31.01.1775 in Lahde, Anerbe der Helbigschen Neubauerrey, hat am 06.01.1795 in Lahde die Catharina Elisabeth Heckers aus Lahde geheiratet. Friedrich Wilhelm war als Schmied sehr erfolgreich und hat die baulichen Anlagen erheblich vergrößert. Zusätzlich wurden durch Ankauf die landwirtschaftlichen Flächen erweitert. Nach dem Tod seiner Frau und erfolgter Schichtung mit seinem Vorsohn hat er in 2. Ehe als Witwer, Colon, Schmied Nr. 44 in Lahde, am 21.03.1833 die Anne Marie Sophie Louise Riechmann aus Ilserheide Nr. 37, geb. am 19.08.1798 in Ilserheide, geheiratet. In der Kirchenchronik Lahde aus dem Jahr 1835 hat Pastor Schmidt für den Monat May u.a. folgendes niedergeschrieben:

Kirchenbuch Lahde
Taufeintragungen 1710

26.xbr (Dez.) ist des Schmieds zu Lahde erstgeborenes Töchterlein getauft. NB Vater hat geheißen Conrad Otto gewesener Johann Rheidt, Mutter …(ein Wort nicht lesbar)… Lisabeth Führmann von Heersen gebürtig …(ein Wort nicht lesbar)… Ilse Margarethe, Gev. Ilsabe Führmanns von Heimsen.

Vor seiner Auswanderung nach Nord Amerika hat der alte Schmied Helbig im Oktober 1834 die Stätte Nr. 44 auf seinen Sohn Anton Diedrich Wilhelm übertragen. Anton, geb. am 18.04.1796 in Lahde, von der Stätte des Colon und Schmiedes Helbig in Lahde, hat am 31.03.1822 Johanne Wilhelmine Nahrwold aus Lahde, geb. 19.06.1798, in Lahde geheiratet. Aus dem Leben von Anton Helbig ist wenig bekannt. Urkundlich belegt ist, dass sein Sohn Friedrich Wilhelm am 28. Mai 1832 im Alter von 7 Jahren, 5 Monaten und 27 Tagen in der Weser ertrunken ist. Am 6. Juli 1835 ist noch ein Sohn namens Friedrich Wilhelm in Lahde Nr. 44 geboren.

Nach mehr als 55 jähriger Erbfolge ging im Jahr 1845 die Besitzung an den Schmiedemeister Carl Schmidt über. Es ist zurzeit noch unklar, auf welche Weise die Schmiede in den Besitz von Schmidt gelangte. Durch den Kauf von A. Helbig erworben oder durch dessen Erben bzw. Erbschaft? Carl Schmidt war allseits beliebt und genoss den Ruf eines tüchtigen Fachmanns. Viele Lehrlinge hat er erfolgreich in den Gesellenstand erhoben. Wer zur damaligen Zeit Lehrling werden wollte, musste nach der Innungsordnung der Schmiede ausreichende Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen nachweisen. Zusätzlich musste dem Lehrmeister ein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden.

Wie aus alten Planungsunterlagen ersichtlich, ist das alte Wohngebäude vermutlich in der Ära von Carl Schmidt durch einen Neubau oder Wiederaufbau (aufgrund eines Brandschadens) ersetzt worden.

Nach über 30 Jahren Besitz durch Carl Schmidt wurde das Anwesen im Jahr 1877 an die Eheleute Wilhelm Wiese (Colon und Schmied) und Auguste, geb. Schmidt übergeben. Weitere Einzelheiten über die Schmiede und das Leben der Wieses können eventuell die noch lebenden Nachkommen (Enkel und Urenkel) in Lahde geben. Im Jahr 1929 wurde die Schmiede als Gewerbegebiet abgemeldet.

Unklar ist gegenwärtig, ob es vor 1790 in der Bauerschaft Lahde einen selbstständigen Schmiedebetrieb oder Schmiedegesellen gegeben hat. In den alten Kirchenbüchern gibt es nur Eintragungen von Schmieden in Bierde und Quetzen. Auskunft über Lahde könnten die historischen Tabellen des Amtes Petershagen (mit Angabe der Berufe, Handwerksbetriebe, Hofstätten usw.) aus den Jahren 1740 und 1763, abgeheftet in den Akten der Kriegs- und Domänenkammer Minden, aufbewahrt im NRW Staatsarchiv Münster, geben.

Die alte Schmiede abgebrochen in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Herausgeber: Ortsheimatpfleger Wilhelm Gerdes mit Unterstützung der Kulturgemeinschaft






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