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Die Kanzel der alten Lahder Kirche ist 450 Jahre alt

Die Lahder Kirche kann heute auf eine mehr als 870 jährige Geschichte zurückblicken. Sie wird in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden sein. Ein genaues Datum lässt sich heute leider nicht mehr belegen. Ursprünglich war sie vermutlich eine grundherrschaftliche Eigenkirche (Kapelle) der Sächsischen Billunger oder der Herzöge von Sachsen. Die damaligen Adelsgeschlechter besaßen im Raum Lahde umfangreiche Ländereien und Gehorsame.

Einige Jahre später, in der Schenkungsurkunde Heinrichs des Löwen von 1168, also bei der ersten urkundlichen Erwähnung der Ortschaft Lahde, wurde die Kirche jedoch nicht erwähnt. Vermutlich gehörte sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr zu der, als Schenkung aufgeführten Curia Lahde, sondern lag bereits auf einem abgetrennten Grundstück, einem „Kirchhof“. Ob sie noch herzogliche Eigenkirche oder schon Pfarrkirche unter herzoglichem Patronat gewesen ist, bleibt ebenfalls offen. Im Jahr 1206 jedenfalls war die Kirche eindeutig zu einer Pfarrkirche erhoben. Der Überlieferung nach entstand sie als Tochterpfarrei der Urpfarrei Herlethe-Windheim *2. Urkundliche Belege aus dieser Gründungszeit sind heute leider nicht mehr vorhanden. Im Baustil glich die „alte“ Lahder Kirche der Architektur alter Weserkirchen, wie sie noch heute in Heimsen zu sehen ist.

Im Laufe des 19. Jahrhundert wurde die Lahder Kirche jedoch zu klein. Die Kirchengemeinde war in den zurückliegenden 100 Jahren um ca. 20% gewachsen. Alleine in Lahde lebten derzeit ca. 420 Gemeindeglieder.

Hinzu kamen noch die umliegenden Orte mit zusammen nahezu der gleichen Anzahl von Gemeindegliedern. So wurde bereits 1842 im Presbyterium der Entschluss gefasst, die alte Lahder Kirche abzureißen und durch eine neue und größere Kirche zu ersetzen. Die neue Kirche sollte Platz für 1000 Besuchern bieten. Ein, im selben Jahr gegründeter Kirchbauverein trug dazu bei, die nötigen Finanzmittel zu erwirtschaften. *3

Allerdings sollte es noch mehr als 50 Jahre dauern, bis die Baumaßnahmen konkret in die Tat umgesetzt werden konnten. Schließlich war der Kirchenneubau ein enormer finanzieller Kraftakt, zumal die neue Kirche mit einer nahezu doppelt so großen Grundfläche und einer Turmhöhe von 53 m den modernen Ansprüchen der damaligen Zeit genügen sollte.

Wie Heinrich Rötger in seinem Buch „100 Jahre Kirche Lahde“ schreibt, weisen einige Details auf den noch vorhandenen Bilddokumenten der alten Kirche darauf hin, dass es sich im Wesentlichen noch um die ursprüngliche Substanz aus dem Jahr 1206 gehandelt haben wird.

Im Jahr 1892 war es dann soweit, die alte Kirche wurde komplett abgetragen und ein Jahr später begann der Neubau. Zuvor wurden alle wertvollen Inventarstücke, wie die Bestuhlung, die Türen, die Kanzel sowie vermutlich auch der Altar verkauft. Der Erlös floss in den späteren Neubau.

Über den Verbleib der damals veräußerten Ausstattungsgegenstände wurde oft spekuliert und gerätselt. So sind uns heute neben alten Fotos (Außenansicht) nur noch ein Säulenkapitell sowie einem, im Eingangsbereich eingemauerten Tympanon erhalten geblieben. *4

In den noch vorhandenen historischen Unterlagen findet sich bislang lediglich ein Hinweis über den Verbleib der damaligen Kanzel. Wie ein Schriftwechsel aus dem Jahr 1920 zwischen dem Badischen Landesmuseum mit dem Kreismuseum Minden sowie dem damaligen Lahder Pfarrer Kahra belegt, wurde die Kanzel 28 Jahre nach dem Abbau wieder zum Kauf angeboten.

In diesem Schreiben wird Pfarrer Kahra unter anderem gefragt, ob er noch wisse, wie die Kanzel damals von Lahde fortkam. Handschriftlich vermerkte er: „Auch die ältesten unserer Presbyter wissen leider nichts mehr davon.“ *5

Das Kaufangebot der Kanzel sah einen Preis von 2000,- Mark vor. Allerdings musste damals sowohl die Gemeinde Lahde, wie auch das Kreismuseum Minden das Kaufangebot ablehnen.

Im Jahr 1921 erwarb der Kreis Altena schließlich die Kanzel und ließ sie in der Burgkapelle der Museumsburg Altena einbauen, wo sie noch heute zu besichtigen ist. *6

Die Burg Altena
Auf dem Klusenberg in der Stadt Altena im Märkischen Kreis  (Sauerland) liegt die prachtvoll wieder hergerichtete Burg Altena. Der Legende nach wurde sie Anfang des 12. Jahrhunderts von den „Grafen von Berg“ errichtet. *7

Ab 1906 ließ der damalige Landrat Fritz Thomèe die Burg wieder aufbauen. Wie auf der Homepage der Burg Altena zu lesen ist, sollte eine idealisierte Burg entstehen, die dem Besucher eine authentische mittelalterliche Wehranlage suggeriert. Hierzu kaufte und sammelte der Landrat unzählige historische Ausstellungsexponate. Aus dieser Zeit wird Fritz Thomèe auch gerne mit seinen Worten, „ … ich habe eine Burg zu füllen“, zitiert. Hierdurch entstand in den nachfolgenden Jahrzehnten ein Burgmuseum das durchaus einer Filmkulisse gleicht, allerdings verlieren die einzelnen Exponate hierbei ihren ursprünglichen regionalen und zeitlichen Bezug.

Die Burg ging 1943 in den Besitz des damaligen Kreises Altena über. Heute ist die Burg das Wahrzeichen der Stadt und als Museumsburg ein Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt.

Die Lahder Kanzel aus der Zeit der Renaissance
Die Kanzel aus dem Jahr 1570 ist aus Eichenholz gefertigt und steht auf einer verzierten Säule mit ca. 25 cm Durchmesser. Sie besteht aus 6 Seiten, einer geometrisch achteckigen Grundfläche mit ca. 1 Meter Durchmesser. Jede der 6 Seiten ist mit einer erhabenen Säulenstruktur umrahmt, und mit kunstvoll verzierten Holzkassetten ausgefüllt. Die Holzkassetten wiederum sind mit aufwendig gefertigten Intarsien (eingelegte Holzstücke) aus dunklem Eichenholz und hellem Ahorn verziert. Die Intarsien mit ihrem filigranen Spiel aus „Hell“ und „Dunkel“ spiegeln eine räumliche Tiefe mit „Licht“ und „Schatten“ wieder.

Im oberen Bereich der 6 Seiten bilden weitere Verzierungen mit Intarsien, sowie einem großzügig überstehenden Handlauf den Abschluss. Im unteren Bereich werden die 6 Seiten zum Teil mit aufwendig geschnitzten und vorstehenden Rankmustern, einer Jahreszahl und einem Wappen verziert.

Insgesamt bietet die Kanzel so ein interessantes Spiel aus echten, erhabenen Ornamenten und einer vorgetäuschten räumlichen Plastizität durch die kunstvolle Anordnung von hellen und dunklen Holzpuzzel. Wie der Kunsthistoriker Ulrich Althöfer von der ev. Kirche von Westfalen treffend beschreibt: „Ein feines Spiel von Schein und Sein, von Ebene und räumlicher Tiefe, das die handwerkliche Meisterleistung unterstreicht.

Diese Art der Intarsienarbeiten ist in Westfälischen Kirchen für den Zeitraum um 1570 eher unüblich und bislang wenig überliefert. In der Kapelle Nordhemmern finden sich vergleichbare Einlegearbeiten mit Rauten und Sternen, allerdings nicht in dem Umfang und der Qualität wie an der Lahder Kanzel. Damit bekommt die Lahder Kanzel mit ihrem Ursprung aus dem 16. Jahrhundert eine herausragende Bedeutung.

Im Jahr 1570 war es gerade erst 53 Jahre her, dass Martin Luther seine 95 Thesen an die Kirchentür von Wittenberg geschlagen hat und damit die Reformationsbewegung auslöste. Der Widerstand seitens der katholischen Geistlichkeit war groß, aber letztlich setzte sich das evangelische Gedankengut durch. In Minden schlossen sich im Jahr 1529 insgesamt 36 angesehene und couragierte Bürger zusammen und widersetzten sich der alten Kirchenlehre. Sie holten Nikolaus Krage nach Minden, der in Wittenberg direkt von Martin Luther ausgebildet worden war, und inzwischen in Stolzenau predigte. Schon sechs Wochen später, verkündete der Reformer Krage in der St. Martini Kirche eine neue Kirchen- und Schulordnung für Minden. *8

Für die Lahder Dorfbevölkerung blieb diese Entwicklung in Minden jedoch zunächst bedeutungslos. Schließlich mussten die Lahder Bürger in erster Linie einem anderen irdischen Herrn dienen, dem Kloster Loccum. Die Zisterziensermönche in Loccum waren tief verwurzelt in den alten Traditionen der katholischen Lehre und wollten von der „neuen lutherischen Sekte“ nichts wissen. Schließlich war der Grundbesitz in Lahde ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für ihr Kloster. Es war gerade erst 100 Jahre her, dass die Loccumer Mönche in Lahde neben dem bestehenden Klosterhof die 4 Meierhöfe gegründet, und sie jeweils mit 120 Morgen Land ausgestattet hatten. Unruhen in der Bevölkerung, oder gar Veränderungen im Klostergefüge sollten unbedingt vermieden werden. So hielt man sich in Loccum zurück und beobachtete der Entwicklung in Minden mit Skepsis. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts setzte sich auch in Loccum die Reformation durch und das Kloster nahm die „Augsburger Konfession“ an.

Doch für Lahde öffnete sich zwischenzeitlich ein glücklicher Mittelweg. Im Jahr 1570 predigte in Lahde der katholische Pfarrer Herbortus Söler. Während seiner Amtszeit kam es zu den Umbaumaßnahmen in der Lahder Kirche, wobei die damalige Kanzel ihren Platz bekam. Weitere Hinweise auf sonstige Baumaßnahmen zu der Zeit sind bislang nicht bekannt.

Drei Jahre später verstarb Pfarrer Söler und für Lahde wurde ein neuer Pfarrer gesucht. Wie Heinrich Rötger in seinem

Buch schreibt, versäumte der Loccumer Abt seinerzeit die Frist, einen neuen Pfarrer für Lahde einzusetzen. Daraufhin ernannte schließlich der Mindener Bischof Hermann im Jahr 1575 einen Nachfolger für die vakante Pfarrstelle. Wie sollte es angesichts der damaligen Situation in Minden anders sein, natürlich wurde ein evangelischer Pfarrer für diese Aufgabe ausgewählt. Es war Hermann Wegener aus Obernkirchen. Die Neubesetzung wurde von Loccum zunächst erwartungsgemäß abgelehnt. Aber auf Dauer konnte sich das konservative Loccum nicht der neuen Entwicklung versperren. Schließlich lenkte Loccum ein und am 22. März 1580 gelobte Hermann Wegener auch vor dem Abt zu Loccum eine treue Führung seines Amtes „in Lehen und Leben und wurde von diesem mit der Pfarre beliehen“. *9 Damit hatte die Reformation in Lahde ohne Blutvergießen Einzug gehalten.

Aber der friedvolle Wandel sollte schon schnell ein jähes Ende finden. Bereits 38 Jahre nach der Einweihung der Kanzel brach der leidvolle Dreißigjährige Krieg aus, der nahezu zwei Drittel der Bevölkerung den Tod brachte.

Aber kommen wir zur Kanzel zurück. Oberhalb der Jahreszahl befinden sich die erhabenen Initialen „H. H.“ sowie eine Verzierung, die an ein Wappen erinnert. Diese Symbole werden auf den Stifter der Kanzel hinweisen. Angesichts der handwerklich wertvollen Arbeit kann es sich nur um eine bedeutende und vor allem wohlhabende Persönlichkeit der damaligen Zeit gehandelt haben. Bislang ist leider noch nicht bekannt, wer sich hinter den Initialen verbirgt.

Das Wappen, erinnert an ein Eichenblatt, bzw. eine Eichel, in dem ein zweistöckiges Fachwerk abgebildet sein könnte. Leider lässt sich bislang auch diese Spur nicht weiter verfolgen. Wenn es sich hierbei tatsächlich um ein Wappen handelt, wäre der Spender unter den Ritter- oder Adelsgeschlechtern zu suchen. In der damaligen Zeit gab es jedoch neben den Wappen auch noch vergleichbare „Hausmarken“. Diese Hausmarken nutzten wohlhabende Familien, die ihr Eigentum mit einem individuellen Symbol, einer „Hausmarke“ kennzeichneten. So war für jeden Mitmenschen erkennbar,  auch wenn er nicht lesen konnte, wer der Eigentümer war.

Der Kanzelaufbau

Wie eingangs erwähnt, bildet die Grundfläche der Kanzel ein achteckiges Polygon, wobei 2 Seiten ausgespart sind. Diese 2 fehlenden Seiten könnten als Wandbefestigung oder als Treppenaufstieg genutzt worden sein. Somit ergeben sich zwei mögliche Standorte der Kanzel innerhalb der Kirche. Für die Variante 1 spricht die Tatsache, dass die Verankerung der Kanzelkorbes an der Außenwand eine erhebliche Standfestigkeit geboten hätte. Ferner, weisen die Kanzelseiten 5 und 6 keinerlei Verzierungen auf, was darauf hinweisen könnte, dass die beiden Seitenteile nachträglich, also erst in Altena, ergänzt wurden. Denkbar und vermutlich wahrscheinlicher ist jedoch die Variante 2. Dann hätte die Kanzel auf der rechten Seite in der Kirche gestanden. Für die notwendige Standfestigkeit wären dann nur die Mittelsäule sowie vermutlich zwei Stützpfeiler am Treppenaufgang zuständig gewesen.

Die Haupansicht der Kanzel

In beiden der zuvor dargestellten Varianten schauten die Kirchenbesucher während der Predigt vorrangig auf die Seite 3 der Kanzel. Entsprechend weißt diese Seite die reichhaltigsten Verzierungen und die ausdrucksstärkste Symbolik auf.

Solche aufwendigen und kunstvoll gearbeiteten Intarsien sind für Norddeutschland eher selten. Nach Aussage von Kunsthistorikern sind derartige Arbeiten vorrangig in Süddeutschland und Südeuropa zu finden. Lediglich in der Stadtkirche Celle finden sich vergleichbare Arbeiten aus der betreffenden Zeit. Wie kam es also im 16. Jahrhundert zu solch aufwendigen und sicher auch kostspieligen Darstellungen in der Lahder Kirche? Der Schlüssel hierzu befindet sich sicher hinter den noch zu ergründenden Initialen H. H. und dem geheimnisvollen Wappen.

Genauso spannend wie die Suche nach dem Stifter ist die Deutung der vorhandenen Symbole und Darstellungen. Was wollte der Künstler mit seinem Werk zum Ausdruck bringen? Hierzu sei zunächst noch folgendes angemerkt:

Das Schriftbild und bildliche Darstellungen in der Historie waren seinerzeit stark verankert in der Symbolik. Angesichts des damals noch vorherrschenden Analphabetentums waren Bilder und Symbole die einzige Möglichkeit Botschaften oder Hinweise nonverbal zu übermitteln, oder für die Nachkommen zu konservieren. So lassen sich die Darstellungen auf der Lahder Kanzel heute nicht mehr eindeutig interpretieren und unterliegen somit einem breiten Deutungsspektrum. Wo endet die damalige

 tiefgründige Symbolik und wo beginnt die künstlerische Phantasie des einstigen Meisters? Die Grenzen zwischen „richtig“ und „falsch“ scheinen zu verfließen.  So bleibt es heute leider dem Betrachter überlassen, sich mit seinem individuellen Blickwinkel eine eigene Meinung zu bilden. Aber es lohnt sich! Mit etwas Phantasie, öffnet sich dem Betrachter hier ein wenig der geschichtliche Vorhang, und lässt ihn eintauchen in das Glaubensverständnis und die Gedankenwelt unserer Vorfahren.

Die Seitenflächen der Kanzel sind symmetrisch mit einer vorstehenden Säulenstruktur  eingerahmt. Hierdurch entsteht ein räumlicher Blick wie durch einen halbrunden Torbogen hindurch, hinter dem sich ein weiterer Raum öffnet. Durch den Torbogen der Hauptansicht (Seite 3) fällt der Blick auf kirchliche Gebäude, in deren Mittelpunkt ein Turm mit Zwiebelhaube steht. Die Darstellung der Gebäude mit Zwiebelturm und sogenannten „Welschen Hauben“ wirkt zunächst befremdlich und ist eher untypisch für den ostwestfälischen Raum. Derartige, prunkvoll anmutende Gebäude kennt man aus der damaligen Zeit eher bei wohlhabenden Schlössern, Burgen und Kathedralen. Wie kam es also dazu, dass für die Lahder Kirche eine solche Darstellung gewählt wurde?

Die Antwort findet sich vielleicht in einem Reisebericht, der vor mehr als 520 Jahren geschrieben wurde. Damals begab sich ein Bernhard von Breidenbach auf eine Pilgerreise ins ferne Jerusalem. *10 Er besuchte die heiligen Stätten und folgte dem Weg Jesu bis zur Grabeskirche. Hier fertigte er eine Zeichnung der damaligen Grabeskirche an. Diese Darstellung ist in Überlieferungen bis in unsere Zeit erhalten geblieben. Die verblüffende Ähnlichkeit beider Bilder lässt vermuten, dass hier die Inspiration zur Gestaltung der Lahder Kanzel zu finden sein könnte.

Damit ließe sich das kunstvoll gestaltete Kanzelbild wie folgt interpretieren: Der christlichen Lehre folgend, führt der Weg ins Paradies nur über den Tod Jesu Christi, symbolisch über die Grabeskirche. Folglich ist dieser Ort mit der damit verbundenen Vergebung der Sünden, der Eingang in das Paradies und somit das eigentliche Ziel eines jeden Christen.

Bei dem Vergleich der Bodenfliesen, die auf der Überlieferung von 1496 einheitlich auf den Eingang der Grabeskirche zulaufen, weist das Muster auf der Kanzel zwischen den beiden Türmen eine gegenläufige Richtung auf. Hierdurch wirken sie nahezu einladend durch die beiden Türme einzutreten, 

in einen dahinterliegenden, größeren, mit „Wachtürmen“ geschützten Raum, in deren Mittelpunkt die Grabeskirche als Eingang zum Paradies wartet.  Oder handelt es sich hier nur um eine eigenwillige Darstellung des Künstlers? Leider muss nicht nur diese Frage heute unbeantwortet bleiben. Denkbar wäre jedoch auch, dass die christlichen Gebäude ganz abstrakt das „himmlische Jerusalem“ darstellen sollen. Auch in dieser Symbolik hatten die Kirchenbesucher bei jeder Predigt ihr himmlisches Ziel vor Augen und die beiden Türme am Eingang symbolisieren göttlichen Schutz und Frieden.

Der obere Kanzelkranz
Im oberen Bereich unterhalb des Handlaufes ist jeweils eine liegende, mit zum Teil gegenläufigem Schattenspiel verzierte Raute zu sehen. Im Zentrum der Raute befindet sich bei drei von vier Seiten ein kreisrundes Element, welches in der Ausgestaltung variiert. Eine tieferliegende Bedeutung lässt sich hier zunächst nicht erkennen.

Die Seitenwände
Neben der Seitenwand 3 (Hauptansicht) weisen auch die Seiten eins, zwei und vier kunstvolle Verzierungen in Form von Intarsien auf. Lediglich die Seiten fünf und sechs sind verzierungsfrei. Wie im Abschnitt „Kanzelaufbau“ beschrieben, befand sich hier damals der Treppenaufgang, oder die Seiten lagen an der, dem Kirchenraum abgewandten Seite.

Auf den verzierten Seiten eins, zwei und vier wird jeweils eine kunstvoll gestaltete, geriffelte Säule dargestellt. Die nach oben konisch zulaufende Verjüngung lässt die Säulen für den Betrachter noch höher erscheinen. Hierdurch bekommen sie eine nahezu „himmlische“ Bedeutung. Sie stehen jeweils auf einer Säulenbasis und den oberen Abschluss bildet in der Regel ein Säulenkapitell. Die Säulen, wie auch die scheinbar darauf ruhenden Symbole weichen voneinander ab.

Lässt sich in diesen Symbolen mit etwas Phantasie vielleicht sogar die Geschichte der Lahder Gläubigen ableiten?

Auf der linken, also der ersten Säule ruht eine Rose, die entfernt an die Lippische Rose erinnert. Allerdings weist die Lippische Rose eigentlich fünf Blätter auf und nicht nur vier. Sollte sich hier ein Hinweis auf das, für Lahde prägende Dominikanerinnenkloster befinden, welches 1265 in Lahder gegründet und 1306 ins lippische Lemgo umgezogen ist? Das damalige Lahder Kloster quasi als geistlicher Grundstein des Christentums in Lahde? Zugegeben, das ist sicher eine sehr gewagte These. Dann müsste dem Künstler bei der Gestaltung der Rose ein gravierender Fehler unterlaufen sein. Oder ist es doch nur eine phantasievolle Darstellung des Künstlers, mit der er seine handwerklichen Fähigkeiten zeigen wollte? Aber warum hat er dann für die Säulen eine konische Darstellung gewählt, mit der sie scheinbar „bis in den Himmel ragen“?

Auf der zweiten Säule befindet sich ein Kapitell, das breiter und höher gearbeitet ist als auf der Säule 1. Der obere Rand ist abgerundet, wodurch das Kapitell auch als Schale, symbolisch als Taufbecken, interpretiert werden könnte. Die Taufe steht für den Beginn des christlichen Lebens. Über dem Taufbecken ruht ein Stern. Diese Form von Sterndarstellung findet sich häufig im christlichen Umfeld und symbolisiert die Anwesenheit Christi. Der Stern verleiht der Darstellung eine gewisse Reinheit und Strahlkraft. Oder stellt auch hier das Bild nur eine künstlerische Phantasie des Erbauers dar, die keiner tiefergehenden Bedeutung folgt?

Auf der nächsten Seite folgt die Hauptansicht mit dem geschützten Hofraum und der Grabeskirche Jesu im Mittelpunkt, bzw. dem „himmlischen Jerusalem“. Damit öffnen sich an dieser Stelle zwei unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten:  Ist hier mit dem „himmlischen Jerusalem“ das menschliche Ziel nach dem Tode dargestellt? Oder folgt die Darstellung gar der chronologischen Symbolik der zwei vorangegangenen Kanzelseiten und zeigt hier das „irdische Leben unter dem Schutz Gottes“ bis zur Erlösung durch den Tod Jesu Christi? Wie auch immer. Fest steht, dass zumindest die Hauptansicht mit den kirchlichen Gebäuden einer tieferen christlichen Symbolik folgt.

Auf der vierten Säule befindet sich kein typisches Kapitell, sondern ein Symbol das an eine Lilie hindeutet. Die Lilie steht als Symbol für Reinheit, Tugend, Fruchtbarkeit und Jungfräulichkeit. Damit steht die Lilie in christlichen Überlieferungen als Symbol für die Jungfrau Maria. Auch hier ruht oberhalb wieder der Stern Christi und gibt dem Bild eine friedliche, eine himmlische Ruhe.

Wie eingangs erwähnt, scheinen die Grenzen zwischen tiefgreifender Symbolik und künstlerischer Freiheit des Erbauers heute fließend zu sein. So muss es leider dem Betrachter überlassen bleiben, sich seine eigene Meinung zu bilden.

Die Sockelleisten
Im  Sockelbereich weißt die Kanzel lediglich an den Seiten zwei, drei und vier erhabene Verzierungen auf. Die übrigen Seiten sind am Sockel schmucklos.

Während die Darstellung auf der dritten Seite auf den Stifter hinweist, sind die symmetrischen Rankmuster auf den benachbarten Seiten vermutlich Verzierungen ohne weitere Bedeutung. Diese Verzierungen waren sehr verbreitet in der Renaissance. Die schmucklose Seite 1 scheint nachträglich ergänzt worden sein. Vermutlich war dieses Element so beschädigt, dass es ausgetauscht wurde.

Die Kanzelsäule
Die Kanzel steht auf einer Säule mit ca. 25 cm Durchmesser und ist kunstvoll verziert.

Ausgehend von einem quadratischen Sockel von ca. 40 cm Kantenlänge schließt sich ein Blütenkopf an, aus dem ein Spross empor ragt. Nach ca. 60 cm öffnet sich eine weitere Blüte, aus der sich dann die Kanzel als Plattform des Predigers entfaltet. In der oberen Blüte finden sich auch wieder die typischen, nach außen gerollten Lilienblätter.

Auch hier ließe sich eine religiös motivierte Deutung interpretieren. Aber die möchte ich an dieser Stelle dem geneigten Leser gerne selbst überlassen.

 






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