Skip to content Skip to main navigation Skip to footer

Die Lahder Kirche

Lahde einst und jetzt
von Wilhelm Gerdes
(Ausgabe 24, Dezember 2007)

Geschichte kann spannender sein als ein Krimi. So erging es mir, als ich vor einigen Tagen Akten aus dem Archiv der Stadt Petershagen holte und darin las. Mir fiel dabei ein Gutachten über den baulichen Zustand der Kirche zu Lahde bei Minden (Westfalen) auf, das im Jahre 1890 erstellt wurde.

Nun muss man sich erinnern, dass die jetzige Lahder Kirche 1892 – 95 erbaut ist. Das damalige Gutachten möchte ich Ihnen vorstellen:

Die Kirche zu Lahde (Westfalen) ist ursprünglich ein romanisches Bauwerk, etwa im 11. Jahrhundert erbaut, dasselbe ist jedoch im Laufe der Jahrhunderte oftmals umgebaut, so dass die ursprüngliche Bauart nur noch an Teilen des Turmmauerwerks zu erkennen ist. Besonders ist die Kirche wohl im 17. Jahrhundert um etwa die Hälfte nach Osten zu vergrößert und die westliche Empore, sowie auch die auf der Nordseite befindliche Empore eingebaut. Das Gebäude ist ein einfaches Langhaus, 28 Meter lang und 9 Meter breit, nach Westen zu mit einem ca. 35 Meter hohem Turm. Es sind drei Eingänge, ein Eingang von der Westseite und zwei Eingänge von der Nordseite vorhanden.

Das Mauerwerk ist aus Bruchsteinen, bei Reparaturen teilweise mit Ziegelsteinen hergestellt. Die westliche Hälfte des Kirchenschiffs hat eine einfache gerade Holzdecke, indem auf die Balkenlage Bretter genagelt sind. Die östliche Hälfte des Kirchenschiffes hat eine gewölbte Holzdecke. Die Dachkonstruktion ist aus Eichenholz gefertigt. Als Dachdeckung sind zur westlichen Hälfte des Daches Steinplatten genommen, während die östliche Hälfte mit Dachziegeln eingedeckt ist. Die Kirche ist nicht in gutem baulichen Zustande, jedoch nach Abhilfe von Mängeln und bei genügenden Vorsichtsmaßregeln ohne Lebensgefahr noch zu gottesdienstlichen Gebrauch zu benutzen, falls nicht sehr stürmisches Unwetter besonders durch die Zerstörung des Daches, die Unbrauchbarkeit des Gebäudes herbeiführen würde.

Die äußeren Umfassungswände haben, durch die mehrfachen Umbauten und auch besonders durch das Eindringen des Dachwassers in die Fundamente mehrfach Risse erhalten, welche schon öfter nachgebessert sind.

as Dach ist in einem reparaturbedürftigen Zustande. In der westlichen horizontalen Holzdecke, zugleich als Dachfußboden benutzbar sowie in dem Glockenfußboden im Turm sind einzelne Bretter teilweise angefault.

Die eingebauten Emporen, hauptsächlich die nördliche Empore, sind an mehreren Stellen von der Wand abgewichen, doch auch durch Stützen und Anker mehrfach gesichert. Die Ursache des weiteren Abweichens ist, dass die ursprünglich unter die Emporen gestellten Eichenholzständer am unteren Fußende teilweise ganz abgefault sind.

Zur weiteren gefahrlosen Benutzung des Gebäudes für den gottesdienstlichen Gebrauch ist notwendig herzustellen und jetzt angeordnet:

Das Gebäude ist in etwa 1,50 m Entfernung von den äußeren Umfassungswänden (ausschließlich der Eingänge)abzusperren, um bei stürmischem Wetter sich am Gebäude zufällig aufhaltende Personen, gegen herabfallende Dachsteine zu schützen. Die beiden Eingänge an der Nordseite sind in Rücksicht hierauf auf etwa 1,30m Breite unterhalb der Dachtraufe, flach mit Bretten zu überdecken. das etwa zufällige Betreten der Decke (Dachfußboden)von Personen ist durch gute Absperrung des Dachbodens zu verhindern.

Die Fußbodenlagen im Turme sind gut nachzusehen und alle schadhaften Bretter durch neue Bretter zu ersetzen. Bei den Emporen sind die angefaulten Fußenden von den Eichenholzständern abzuschneiden und unter die Ständer genügend große Sandsteine aufs Fundamentmauerwerk zu legen. Dann sind an einzelnen Stellen unter den Emporen noch Stützen zu stellen und an einzelnen Zugverbindungen zur größeren Sicherheit noch Anker und einzelne Winkel anzubringen.

Diese Angaben sind an Ort und Stelle festgestellt

Hannover, den 4. Dezember 1890

A. Kersten

(Architekt)

Soweit das Gutachten des Architekten. Es wurde durch eine polizeiliche Anordnung im Zwangsverfahren dem Presbyterium der Kirchengemeinde Lahde 1890 durch den Polizeidiener Herbig zugestellt. Entgegengenommen und den Empfang bestätigt hat Pastor Obloh. Im weiteren Schriftverkehr mit dem Amtmann Christiani wird dann auch auf die häufige Überfüllung der Kirche bei Gottesdiensten hingewiesen.

Das bauliche Gutachten hatte der Landrat des Kreises, der mit der Schließung der Kirche durch die Sicherheitspolizei drohte. Einwände des Pastor Obloh, der Kirchmeister würde den Zustand des Gebäudes überprüfen ließ die Behörde nicht gelten. In einem Schreiben vom 2. April 1891 teilte Pastor Obloh mit, dass die geforderten Sicherheitsmaßnahmen erfolgt sind.

Nicht allein die Enge der Kirche war, wie bisher erklärt und auch noch in dem 1997 erschienenen Buch Soli deo gloria zur 100 Jahr Feier der jetzigen Kirche in Lahde behauptet, der Grund für den Abriss der fast 800 Jahre alten Kirche, sondern auch der schlechte bauliche Zustand. Ironie des Schicksals: Der Architekt, der den Abriss der alten Kirche durch sein Gutachten entschied, durfte den Neubau der Kirche entwerfen und überwachen.

Nachtrag: Die Steinplatten vom Dach der alten Lahder Kirche wurden im Keller des 1894 erbauten Hauses von Karl Schwier neben der Kirche als Fußbodenplatten verlegt.

Herausgeber: Ortsheimatpfleger Wilhelm Gerdes mit Unterstützung der Kulturgemeinschaft Lahde






Zurück zum Anfang