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Die letzten Kriegstage in Lahde

Lahde einst und jetzt
von Wilhelm Gerdes
(Ausgabe 15, Oktober 2005)

Überall in Deutschland gedenkt man in diesem Jahr dem 60-jährigen Ende des 2. Weltkrieges. Im Fernsehen laufen dienstags Dokumentationsreihen in Serie. Vergessene Bücher werden neu aufgelegt.

Während die nachfolgenden Jahre bis 1949 vielen von Ihnen als die Polenzeit als schreckliche Jahre in Erinnerung geblieben sind, wird über das Kriegsgeschehen in Lahde kaum etwas berichtet. Es wird wohl nicht so schlimm gewesen sein. Ich möchte Ihnen die Ereignisse in Erinnerung rufen.

Der Krieg traf Lahde am 5. , 6. und 7. April 1945. Er kam von Westen und musste über die Weser. Noch am 5. April hatten sich deutsche Infanteristen in Gruppenstärke am Fährhaus in Stellungen, zur Verteidigung eingerichtet und britische Kräfte auf Petershäger Seite im Bereich der Marsch bis zur Dämmerung mit ihren Handwaffen bekämpft.

Der Artilleriebeschuss lag in der Nacht in der Wesermarsch. Er wurde später in die Ortschaft Lahde vorverlegt und hatte auch am Fährhaus Gieseking durch einige Einschläge seine Spuren hinterlassen. Die Fähre nach Petershagen war von deutschen Pionieren am 4. April gesprengt worden, so dass sie nicht mehr zu benutzen war. Auf der Bitte des Fährmanns Gieseking hin waren tragende Teile des Schiffskörpers nicht zerstört worden. Allerdings wurde durch die Sprengung das Fährhaus beschädigt.

Auch das nördlich davon gelegene Koppelhaus (Dammeier) hatte Schäden erlitten, als am rechten Weserufer gelagertes Pioniergerät gesprengt worden waren.

In der Nacht vom 5. auf den 6. April suchten 5 Mitglieder der Familie Gieseking sowie die, ebenfalls im Fährhaus wohnende, Frau Tina Lünstroh mit ihrer Tochter Deckung im Keller des Fährhauses. Dort wurde auch eine Gruppe deutscher Infanteristen noch in der Nacht verpflegt. Es gelang nicht, die deutschen Soldaten, welche im rückwärtigen Teil des Fährhauses Munition und Handgranaten bereitgelegt hatten, zur Aufgabe des Kampfes zu bewegen.

Das Übersetzen der Engländer mit ihren Faltsturmboten vollzog sich fast geräuschlos. Die deutschen Soldaten nahmen den Kampf nicht auf, sondern setzen sich im Schutz der Dunkelheit durch die Wesermarsch in Richtung Lahde ab und ließen die, im Fährhaus gelagerte Munition sowie Kampfmittel dort zurück.

Bei der Besetzung des Fährhauses wurde eine, der im Hausflur liegenden, deutschen Stielhandgranaten vom Erdgeschoss aus, den Treppenaufgang hinab in Richtung des Kellerraumes geworfen, in dem die Bewohner Schutz gesucht hatten. Glücklicherweise prallte sie an der Treppenschräge ab und explodierte im Eingang des Kellerraumes. Dadurch wurde Frau Lünstroh durch Splitter an den Beinen verletzt.

Das Fährhaus wurde besetzt, die Bewohner wurden evakuiert. Frau Lünstroh wurde von britischen Sanitätern versorgt und in das Lazarett Hopfenberg transportiert. Die Engländer setzten anschließend ihren Vorstoß zur Bildung eines Brückenkopfes in Richtung Lahde fort. Zwischen Petershagen und Lahde sollte eine sehr wichtige Kriegsbrücke entstehen, die auch schwere Kettenfahrzeuge tragen konnte.

Lahdes Ortsbild war 1945 geprägt im Wesentlichen durch das Unterdorf und die beiden Straßenzüge Nienburger- und Bahnhofstraße. Daran schloss sich geringe Bebauung in Richtung Quetzen an. In diesem Streifen entwickelte sich seit den frühen Morgenstunden des 6. April ein Straßenkampf, ein Kampf um einzelne Gebäude. Es ging darum, taktisch bedeutende Objekte wie zum Beispiel die Auebrücken am Südrand von Lahde oder die Kreuzung Nienburger Str. / Bahnhofstr. zu verteidigen bzw. aus britischer Sicht zu nehmen und für Fahrzeuge offen zu halten. Die deutschen Kräfte verzögerten den britischen Angriff mit Angehörigen eines Panzerjagtkommandos.

Aus diesem Grund entwickelte sich im Morgengrauen ein heftiges Feuergefecht. Eine Gruppe deutscher Infanteristen hatte im Hotel Tonne und im Haus Thielking Stellung bezogen und verteidigten hartnäckig gegen britische Kräfte. Schließlich warfen die Engländer die deutschen Verteidiger. Dabei fielen im Kreuzungsbereich drei deutsche Soldaten.

Das Panzerjagtkommando sammelte sich nach dem Gefecht am Ostrand von Lahde auf dem Bismarckplatz und wich zügig mit Fahrrädern in Richtung Bierde und über die Loher Straße in Richtung Gorspen-Vahlsen aus.

Weitere deutsche Infanteristen verteidigten zunächst noch und wichen anschließend zu Fuß in Richtung Bierde aus.

Lahde wurde nach abschließendem Artilleriebeschuss zu Fuß in Gefechtsformation genommen. Dazu gingen die britischen Fallschirmjäger unter Ausnutzung von Deckungsmöglichkeiten sprungweise auf der Bahnhofstraße als auch nördlich davon durch das damals freie Gelände der Wolfskuhle als auch südlich der Bahnhofstraße in Richtung Bückeburger Straße / Vogelbrink vor. Dabei nahmen sie, wenn deutsche Hinterhaltsstellungen in Gebäuden vermutet wurden, ihnen verdächtig erscheinende Haustüren und Kellerfenster mit ihren Handwaffen unter Feuer.

In den Nachmittagsstunden wurde ein neunzehnjähriger Gefreiter durch britische nachstoßende Kräfte verfolgt. Er fiel an der Kreuzung Bierder Straße / An der Bahn. Er wurde mit einem anderen gefallenen deutschen Soldaten und acht britischen in einem Feldgrab südlich der Bierder Straße, etwa gegenüber der Einmündung der Straße Im Forsten beigesetzt.

Das waren die Kriegsereignisse in Lahde. Glück gehabt könnte man meinen. Keine Opfer der Zivilbevölkerung waren zu beklagen. Die Materialschäden hatten sich in Grenzen gehalten. Die Auebrücke an der Mühle hatte dem Gewicht eines britischen Kettenfahrzeus nicht standgehalten und war zusammengebrochen. Ansonsten wurden in amtlichen Nachweisen an Gebäuden folgende Kriegsschäden notiert:

Leichte Schäden an 16 Gebäuden:

– 3500 Ziegelsteine,
– 8000 Dachziegel,
– 10 cbm Holz,
– 40 Sack Zement und
– 50 Sack Kalk waren zur Reparatur notwendig.

Wie groß das Glück den Lahdern wirklich gesonnen war, kann man an Ereignissen ablesen, mit denen die Lahder nichts zu tun hatten.

Die Britten wollten ihren Brückenkopf halten und weiter ausbauen. In drei Kompanien gingen sie ihr Vorhaben an. Die eine Kompanie griff Frille an, die zweite Kompanie griff zwischen der Rothenmühle und dem Lahder Bahnhof an und die dritte Kompanie sollte nach Bierde vorstoßen. Am Schaumburger Wald waren 5 deutsche Panzer, Panther stationiert, die einen Gegenangriff von Masloh aus fahren sollten. Sie überraschten die Engländer im freien Feld zwischen der Rothenmühle und Timpen. Dabei wurden mehrere britische Gefangene gemacht. Die deutschen Panzer zogen sich nach dem Gefecht nach Quetzen zurück.

In einer Lagebesprechung erhielt der Kompanieführer der deutschen  Panzer den Auftrag, die im Moment noch schwachen britischen Kräfte im Brückenkopf Lahde anzugreifen und möglichst die Kriegsbrücke in Petershagen zu zerstören oder soweit zu beschädigen, dass der britische Vormarsch im Raum Petershagen vorerst behindert wurde.

Der Kompanieführer entschloss sich angesichts der besonderen Ausstattung seiner Kampffahrzeuge mit Infrarotgeräten für einen Angriff mit allen Panzern in der Dunkelheit. Er plante, von Quetzen aus möglichst im Schutze des Kleibergs über die Kleibergstraße und durch Bierde hindurch in Lahde anzugreifen und möglichst bis zur Weser durchzukommen. Über die Absicht, Infanteristen als Nahsicherung mitzuführen, ist nichts bekannt.

Der Kompanieführer erläuterte diese Operation mit seinem vorgesetzten Major, der diesen Vorschlag entschieden ablehnte und kategorisch einen Angriff bei Tag befahl. Es wird an dieser Stelle deutlich, dass der Major den besonderen Gefechtswert der ihm unterstellten Panzerkompanie bei einem Nachteinsatz nicht kannte.

Also griff die in Quetzen verbliebene deutsche Panther Kompanie gegen 19:00 Uhr über die Kleibergstraße an in Richtung Bierde-Lahde.

Der Angriff misslang. Die Britten hatten mittlerweile unbemerkt von den Deutschen drei Panzerabwehrkanonen in Bierde stationiert. In diese Falle fuhren die deutschen Panzer. Zwei wurden zusammengeschossen und ihre Besatzung getötet. die restlichen Panzer zogen sich in flotter Fahrt Richtung Schaumburger Wald zurück. In der Ziegelei auf dem Spiekerberg begannen die Besatzungen der verbliebenen Panzer mit Instandsetzungsarbeiten an Waffen, Gerät und Fahrzeugen.

Der deutsche Angriff in Richtung Lahde wurde damit bereits in Bierde abgewehrt. Damit wurden die Lahder Bürger vor einem nächtlichen Feuergefecht größeren Ausmaßes mit nicht kalkulierbaren Folgen verschont.

Literaturhinweis:
H. Kleinebenne, Kriegstage in Petershagen

 

Herausgeber: Ortsheimatpfleger Wilhelm Gerdes mit Unterstützung der Kulturgemeinschaft






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