Der Kreuzungsbereich Fährstraße / Vor der Reihe
Wenn man sich in der heutigen Zeit den Kreuzungsbereich zur Fährstraße anschaut, fällt es schwer, sich an dieser Stelle noch eine weitere Häuserzeile vorzustellen. Lediglich die Hofstätten Nr. 16 und 30 haben bis in die heutige Zeit ihren Grundriss nicht verändert.
Erst mit dem Chausseebau ab dem Jahr 1848 änderte sich die Situation. Mit dem beginnenden 19. Jahrhundert verschlechterten sich die wirtschaftliche Situation auf dem Land dramatisch. Missernten und Überschwemmungen setzten der Landbevölkerung in den Weserdörfern zu. Die Lebenshaltungskosten stiegen und gleichzeitig fehlte es an Beschäftigungsmöglichkeiten, um wenigstens ein paar Groschen zu verdienen.
Aus der Not heraus begann die Zeit der „Hollandgänger“, die in den Sommermonaten ins Nachbarland zogen, um dort eine bezahlte Arbeit beim Grasmähen zu erhalten. Im Laufe der Zeit kam auch der Heringsfang an der Nordsee als Einnahmequelle hinzu. Viele Familien brachen ihre Verbindung zur Heimat auch ganz ab und wanderten nach Amerika aus.
In der schlimmsten Notzeit, in den sogenannten „Hungerjahren“ 1846 bis 1848, erwirkte der Freiherr von Schlotheim Nothilfen für die Landbevölkerung. Aus den Mindener Magazinen wurden Getreidevorschüsse und Geld für Saatkartoffeln bereitgestellt, um der hungernden Bevölkerung unter die Arme zu greifen. Ferner ließ er die Straße von der Bückeburgischen Staatsgrenze in Quetzen über Lahde nach Petershagen ausbauen und verhalf so den arbeitslosen Mitmenschen wenigstens zeitweise zu einer bezahlten Beschäftigung.
Anfangs wurden die Straßen nur mit Weserkies ausgebessert, doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden breitere Verkehrswege angelegt. Gleichzeitig wurden die vorhandenen Straßen verbreitert und mit einem Kopfsteinpflaster versehen. Für den Ankauf von Grundstücken und die Durchführung erhielt der Chausseebaufiskus staatliche Zuwendungen.
Im Zuge dieser Straßenerweiterung kam es dann auch zum Umbau des Kreuzungsbereichs an der Fährstraße. Die Durchfahrt in die Fährstraße war zu schmal, was den Chausseebaufiskus dazu bewegte, die beiden Kleinbauerstellen aufzukaufen.
Der Besitzer der Hofstätte Nr. 28 war damals Karl Friedrich Koch. Mit der Entschädigung vom Baufiskus kaufte er die Hofstätte Nr. 57, die etwas weiter nördlich in der Fährstraße lag. Das Grundstück der erworbenen Hofstätte grenzt noch heute an den Löösenweg.
Die zweite Hofstätte, Nr. 31, befand sich seinerzeit im Besitz von August Friedrich Wilhelm Wiebke. Vermutlich verstarb er um 1880, denn seine Witwe heiratete im selben Jahr den Cousin ihres verstorbenen Mannes, Christian Deerberg. Mit dem Kapital baute Christian 1882 das neue Wohn- und Wirtschaftsgebäude gegenüber der Mühle.
Nun war der Weg frei und der Chausseebaufiskis ließ den Straßenverlauf einschließlich Kreuzungsbereich großzügig anlegen, sodass er noch heute den modernen Ansprüchen genügt.
Eine ausführliche Dokumentation finden Sie hier:
Quellennachweis und weitergehende Informationen zum Thema:
1. Lahde einst und jetzt, Festschrift zur 800-Jahr-Feier der Gemeinde
1968, Gemeinde Lahde (Buch)
2. Gemeinderatsprotokolle Lahde, 1846-1886
Stadtarchiv Petershagen
3. Private Recherchen
2018-2024, Heinrich Rodenbeck, Jürgen Nahrwold