Reisebericht zum Dorfspaziergang im Ortskern von Lahde
07.09.2024
Der 7. September stand wieder ganz im Zeichen der Heimatgeschichte Lahdes. Entlang der alten Mindener Straße und der Fährstraße gab es erneut zahlreiche Geheimnisse zu entdecken, und so manche Anekdote aus vergangenen Tagen kam zur Sprache. Die Interessengemeinschaft Heimatgeschichte Lahde konnte sich wieder über etwa 60 Teilnehmer freuen.
Im Mittelpunkt standen die alten Lahder Hofstätten. Es wurde der Frage nachgegangen, wie sich das einstige Bauerndorf im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Doch bevor der rund dreistündige Spaziergang begann, gab es zunächst eine kleine Stärkung, die B. Schlechte vorbereitet hatte: ein zünftiger „Bauernschluck“ mit einer Scheibe Mettwurst und einem Klecks Senf. Schon der alte „Poggenkreuger“ Johann Pohlmann (damaliger Besitzer des Krugs) prägte vor 250 Jahren den Satz: „Wer för fief Penninge utgift, well ok för fief Penninge ’n Wurst dorbi hebben!“ (Wer fünf Pfennige ausgibt, will auch für fünf Pfennige Wurst dazu haben!)
Dabei wurde auch die Geschichte des Lahder Krugs thematisiert. Der Spruchbalken über der Eingangstür nennt zwei Jahreszahlen. Im Jahr 1558 ließ der damalige Bischof Georg zwischen Petershagen und Lahde eine neue Holzbrücke über die Weser bauen. Zur Finanzierung der Baukosten entstand vermutlich eine kleine Zollstation.
1596 kam es dann wohl zu einem Umbau oder Anbau, was die zweite Jahreszahl erklärt. Vielleicht wurde hier bereits eine Schankwirtschaft betrieben, denn die Lage am Ortseingang sorgte schon immer für viele Gäste. Nicht nur die Schlüsselburger Bocktreiber wussten den Krug vor 200 Jahren zu schätzen; noch heute ist die Gastfreundschaft und das gute Essen in Lahde und darüber hinaus bekannt.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich bis 1929 eine Schmiede. Der erste Schmied war Johann Heinrich Helbig, der hier ein Wohnhaus und eine kleine Schmiede errichtete. So konnten die Gäste im Krug die Gastfreundschaft genießen, während sich der Schmied um kleine Reparaturen am Fuhrwerk kümmerte oder den Pferden neue Hufeisen anpasste. 1938 ließ der spätere Besitzer Karl Rippe die Schmiede abreißen und errichtete das heute noch vorhandene Gebäude
Im weiteren Verlauf der alten Mindener Straße (Vor der Reihe) lagen bis Ende des 19. Jahrhunderts vier ähnliche Gebäude, die eng aneinander standen und deren Giebelfronten gleichmäßig zur Straße ausgerichtet waren. Es handelte sich um die Höfe „Äwers“ (Nr. 8), „Hahnen“ (Nr. 10), Eikmanns (Nr. 19) und „Paulmanns“ (Nr. 11). Die Eikmann-Stätte wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts an die beiden Nachbarn „Hahnen“ und „Paulmanns“ verkauft, die daraufhin das alte Gebäude abrissen und ihre eigenen Hofstätten vergrößerten. 1975 brannte die Stätte Nr. 8 (Äwers) bis auf die Grundmauern ab und wurde durch das heute noch vorhandene Gebäude ersetzt. Wegen ihrer gleichmäßigen Ausrichtung rechtwinklig zur Straße wurden diese Höfe früher auch „Rechlinger Buan“ genannt. Alte Erzählungen besagen, dass die ursprünglichen Besitzer einstige Bewohner der kleinen Ortschaft Nordlothe (heutige Kraftwerksiedlung) waren. Vermutlich verließen sie ihre Behausung in Nordlothe, um in der größeren Dorfgemeinschaft von Kerklothe Schutz zu suchen. Die Giebelausrichtung auf der Ost-West-Achse sorgte dafür, dass durch die geöffnete Dielentür möglichst viel Licht und Sonnenwärme ins Haus gelangte. Ihre Vorratsscheunen lagen jeweils auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Im weiteren Verlauf der Straße, gegenüber der Stätte 28 („Ohle Geesken“), lag eine weitere kleine Hofstätte, die Tischlerei König mit der Hofnummer 25. 1678 erhielt der langjährige Knecht König vom Meyerhof Nr. 3 hier ein kleines Grundstück als Dank für seine treuen Dienste. Sein Enkel, Johann Friedrich König, gründete hier eine Tischlerei, die bis 1932 betrieben wurde. Im März desselben Jahres brannte die Tischlerei ab, und der damalige Besitzer Friedrich Gieseking baute sie an der Loher Straße neu auf.
Im Kreuzungsbereich zur Nienburger Straße befanden sich zwei Gebäude, die längst verschwunden sind. Das ehrwürdige Hotel Tonne (Nr. 35) war lange Zeit ein beliebter Treffpunkt in Lahde. Erbaut wurde es 1680 vom damaligen Lahder Pfarrer Theodorus Mehlbaum als Wohnhaus. Nach mehreren Besitzerwechseln ersteigerte 1836 der Gastwirt Gottlieb Tonne das Gebäude. Sein Enkel erweiterte den Schankbetrieb in den 1920er Jahren zu einem Hotel. Er vergrößerte das Gebäude um ein weiteres Stockwerk und baute eine Scheune sowie einen Saal an. Im Juli 1978 brannte das Gebäude, das mittlerweile als „Diskothek Gon“ betrieben wurde, bis auf die Grundmauern ab.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand die Hofstätte Nr. 21, im Volksmund früher als „Pfarrwitwenhaus“ und später als „Alte Apotheke“ bekannt. Erbaut wurde es 1581 vom ersten evangelischen Pfarrer Hermann Wegener für seinen Sohn. Später diente es als Pfarrwitwenhaus, nachdem 1733 der Lahder Pfarrer Anton Helle im Alter von nur 42 Jahren verstarb. Seine Witwe musste das Pfarrhaus verlassen, um der neuen Pfarrerfamilie Platz zu machen. Das Gebäude stand damals unmittelbar am Straßenrand, sodass vor der Eingangstür kein Platz für einen Bürgersteig blieb. 1972 wurde das Gebäude aus Verkehrssicherungsgründen abgerissen
Von hier aus führte der Dorfspaziergang zurück zur Fährstraße. Vorher wurde ein Zwischenstopp vor dem vermutlich zweitältesten Gebäude in Lahde eingelegt. Der kunstvoll verzierte Giebel des Hofes Nr. 24, mit dem Beinamen „Ohle Geesken“, trägt den Spruch: „Der Sohn Johann Heinrich Minnemann, die Mutter Sophie Margarethe Minnemanns. Renovatum 1793“. Die Ehe seines Enkelsohnes blieb kinderlos, weshalb Johann Minnemann jun. den ältesten Sohn des Nachbarn Rodenbeck (Hofname Geesken) als Erben einsetzte. Der Volksmund nannte den geerbten Hof fortan „Ohle Geesken“, da hier nun der ältere Sohn von Geesken wohnte.
Im heutigen Kreuzungsbereich zur Fährstraße standen bis Mitte des 19. Jahrhunderts drei weitere Gebäude: die Hofstätten Nr. 31 und Nr. 28 (mit Scheune). Diese wurden im Zuge des Chausseebaus abgerissen, um die Straße zu verbreitern und zu befestigen. Der Chausseebau fand während der sogenannten Hungerjahre 1846 bis 1848 statt, um den arbeitslosen Tagelöhnern vorübergehend Beschäftigung zu bieten.
Ein kurzer Abstecher entlang des Löösenwegs führte zum ersten Amtsgebäude in Lahde. Erbaut 1867 als Amtswohnung für den amtierenden Amtsleiter, verfügte es über ein kleines Arbeitszimmer. 1897 wurde ein Seitenflügel mit drei Amtszimmern angebaut. Die Amtsgeschäfte wuchsen jedoch so schnell, dass 1913 das neue, heute noch vorhandene Amtsgebäude an der Bahnhofstraße erbaut wurde.
Auch zu den weiteren Gebäuden entlang des Spaziergangs gab es zahlreiche Geschichten und längst vergessene Geheimnisse zu berichten. Auch die alten Flurnamen „Thalkamp“ und „Schlagbaumbreite“ kamen zur Sprache, die viel aus der Lahder Geschichte zu erzählen wussten.
Nach gut zweieinhalb Stunden endete der Spaziergang auf der alten Ziegelei Albert bzw. Brunkhorst. Hier wartete ein kleiner Imbiss auf die Teilnehmer, und in gemütlicher Runde gab es ausreichend Gelegenheit, eigene Erinnerungen im Gespräch aufleben zu lassen.
Als besonderes Highlight stand eine Zeitreise in die Geschichte der alten Ziegelei auf dem Programm. Die heutigen Besitzer, Albert und Gundi Brunkhorst, luden zu einer interessanten Führung über das einstige Ziegeleigelände ein. Dabei konnten sie zahlreiche Details zur Geschichte des Ziegeleibetriebes berichten. In den 1960er Jahren musste der Betrieb jedoch eingestellt werden, da die Tonvorkommen in der Region erschöpft waren.
Abschließend lässt sich festhalten, dass auch der zweite Dorfspaziergang auf großes Interesse gestoßen ist. Die Geschichte Lahdes birgt zahlreiche faszinierende Details, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Genau hier setzt die Interessengemeinschaft Heimatgeschichte an, ganz im Sinne ihres Mottos: „Lahder Geheimnisse – Verlorenes neu entdecken“. Mit jedem gelüfteten Geheimnis fügt sich ein weiteres Puzzleteil hinzu und verdeutlicht, warum unsere Heimat so ist, wie wir sie heute kennen. Ein weiser Mensch sagte einst: „Nur wer von Zeit zu Zeit zurückschaut, kann sicherstellen, dass er nicht im Kreis läuft.“ Angesichts der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen gewinnt dieser Satz an besonderer Relevanz – denn der Weg beginnt, wie man so schön sagt, stets vor der eigenen Haustür.
Die Stationen auf dem Spaziergang:
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