Skip to content Skip to main navigation Skip to footer

Wie es früher einmal war


„Früher war das Leben viel härter, aber auch geselliger und schöner!“

Bestimmt kennen Sie noch diese mahnenden Worte unserer Eltern oder Großeltern. Heute klingen sie jedoch vielmehr wie eine allgemeingültige Plattitüde, die nicht selten mit einem genervten „… ja, ja, die alten Leute“ quittiert wurde. Schließlich haben wir mittlerweile für nahezu jede schwere Arbeit eine passende Maschine entwickelt, die uns das Leben vereinfacht. Im Zuge der Industrialisierung wurden Produktionsstätten zentralisiert, Prozesse strukturiert und die maschinelle Unterstützung immer weiter optimiert. Andernfalls wären wir heute vermutlich auch nicht mehr in der Lage die Weltbevölkerung zu ernähren, geschweige denn unseren Lebensstandard zu halten.

Aber wie war es eigentlich tatsächlich so vor ca. 150 Jahren. Wie sah der Arbeitsalltag hier in unserer Heimat vor der Industrialisierung aus? Unser heutiges Wissen über diese Zeit beschränkt sich weitgehend auf Eindrücke, die wir aus Lektüren oder Filmen übernommen haben. Schließlich sind seitdem etwa 3 bis 4 Generationen vergangen und die Überlieferungen verblassen oder erlöschen gänzlich.

 

Vor vielen Jahren hatte Wilhelm Nahrwold aus Ilserheide sein Wissen über jene Zeit zu Papier gebracht. Er stützt sich hierbei auf die Überlieferungen seiner Großeltern und Eltern, sowie seine eigenen Erlebnisse. So entstand eine sehr aufschlussreiche und lebendige Darstellung des einstigen bäuerlichen Lebens mit den wesentlichen Arbeiten, so wie sie im Laufe eines Jahres zu bewältigen waren. Die Älteren unter uns können sich bestimmt noch an den einstigen Schulbusfahrer, den 2017 verstorbenen Wilhelm Nahrwold erinnern. Mit seiner hilfsbereiten und freudigen Art war er nicht nur bei den Schülern sehr beliebt. Wir bedanken uns bei seiner Familie, dass wir dieses interessante Zeitdokument im Namen von Wilhelm Nahrwold veröffentlichen dürfen.

Lassen Sie sich einfangen in eine, für uns heute, fremde Welt des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Jürgen Nahrwold
(Juli 2022)

Dörfliches Leben
Wie es früher einmal war
von Wilhelm Nahrwold

Wenn das neue Jahr begonnen hatte und der Winter in seiner grimmigsten Art herrschte, beschäftigten sich die Frauen seit eh und jeh mit der Herstellung von warmer Kleidung und Aussteuerartikeln aus Stoffen, die aus selbst angebautem Flachs oder der Wolle aus eigener Schafhaltung hergestellt wurden, teilweise aber auch aus dem zugekauften Garn der Baumwolle, gewebt oder gestrickt wurden. Nun begann eine Zeit des häuslichen Fleißes in den warmen Stuben der dörflichen Behausungen. Das sorgsam aufbereitete Flachs wurde auf eigens hierfür gefertigten Spinnrädern zu einem reißfesten dünnen Faden fein gesponnen. Viele Frauen, besonders aber die jungen Mädchen des Dorfes kamen abends in sogenannten Spinnclubs zusammen, wobei fleißig Garn gesponnen, aber auch manche lustige Geschichten und Anekdoten erzählt wurden. Bis um 22.00 Uhr hatten die Mägde noch auf der Spule ihrer Herrschaft zu spinnen, danach durften sie dann dieselbe mit der Eigenen tauschen und vom Wocken (Flachsballen) des Arbeitgebers für sich und ihre eigene Aussteuer arbeiten. Oftmals stellten sich dann am späten Abend einige Burschen aus dem Dorfe ein und es begann häufig, sehr lustig zuzugehen. War nach etwa einem Tagewerk die Spule voll, wurde das Garn auf den Haspel *1 gezogen und zu der üblichen Bindzahl portioniert. Das so entstandene Garnstück entsprach einer ganz bestimmten Fadenlänge.

Waren etwa bis Mitte März eine größere Anzahl solcher Stücke hergestellt, musste es zunächst gekocht, gewaschen und in der Sonne gebleicht werden, dann konnte das Weben beginnen. Zuerst musste das Garn für die Webstuhlkette gescheert werden. Das geschah entweder auf einem vom Stellmacher hergestellten Scheerbaum, ein senkrechtes drehbares Gestell, das einem riesigen Haspel ähnelte und oftmals von Haus zu Haus ausgeliehen werden konnte, oder auf den an der Tennenwand befestigten Scheerhaken, dem in plattdeutscher Mundart sogenannten „Scheertobben“. Unzählige Fäden wurden dann sich ständig kreuzend hin und her gespannt, je nach der gewünschter Breite und Länge des zu fertigenden Webstückes, bis die sogenannte Kette voll war. Dann wurde das Garn mit den Armen in gekonnter Weise abgenommen und zu der Kette zusammen geschlungen. Diese Kunst des Scheerens und Abnehmens von den Scheerhaken beherrschten in meiner Kindheit nur wenige ältere Frauen im Dorfe, diese wurden jeweils für solche Arbeiten bestellt.

Jetzt konnte die Kette auf den hölzernen Webstuhl, der in jedem Hause anzutreffen war, gezogen werden. Man nannte dieses: ,,Eine neue Kette auflegen“! Nachdem alle Fäden im Wechsel als Ober- oder Unterfaden durch die Kämme und Hevelte gezogen und auf der Webwalze verknüpft waren, konnte das Weben beginnen. Dazu mussten aber vorher noch die Schossspulen für den Einschlag auf besonderen Spulrädern hergestellt werden. Die Schossspulen wurden je nach Wunsch mit Flachsgarn oder auch mit Baumwollgarn gefüllt. Reines Leinen oder Linnen wurde nur aus Flachsgarn hergestellt, während weicheres Tuch für Bettbezüge und Kleidung meist zur Hälfte aus Flachs und Baumwolle bestand. Wenn die Kette durchgewebt war, hatte man ein sogenanntes Bleichstück (in plattdeutsch: ,,Bleikestücke“) fertig. Das hatte gewöhnlich eine Länge von 24 Ellen, (eine Elle etwa 62 cm) oder auch mehr, oder weniger und wurde nach mehrmaligem Waschen und Kochen nun mehrere Tage auf der Wiese ausgebreitet und bei Sonnenschein gebleicht. Dazu musste alle paar Minuten sauberes, möglichst weiches Wasser aus der Regentonne oder einem nahen Bach oder Graben darüber gebraust werden. Danach wurden die Bleichstücke

mit dem Glättebrett oder einer Holzmangel geglättet und zu festen „Linnenballen“ gewickelt. Dann in der großen Eichentruhe, die in keiner Familie fehlen durfte, bis zum Gebrauch oder auch als Mitgift für die heiratsfähigen Kinder eingelagert und aufbewahrt. Zum Herbst kam häufig eine Schneiderin oder Näherin ins Haus, die dann die gewünschte Kleidung, Wäsche oder das Bettzeug herstellte.

Für die Männer begann nun im Januar nach der täglichen Stallarbeit, das Dreschen des Getreides. Dazu wurden die Getreidegarben, die im Sommer auf dem Hausboden eingelagert waren, durch die Luke wieder herabgeworfen und auf einem Ende der großen Tenne gestapelt. Hatte man ein halbes Tagewerk beisammen, breitete man die aufgetrennten Garben auf dem Fußboden der Tenne so aus, dass die Ähren von beiden Seiten in der Mitte zusammen lagen. Nun droschen einige Männer mit ihren Dreschflegeln *2 in gekonntem Rhythmus die Körner aus den Ähren heraus. Nachdem das Stroh sorgfältig ausgeschüttelt, abgenommen und aufgebunden worden war, wurde es wieder auf einem leeren Platz des Hausbodens gestapelt. Das Korn musste nun erst gereinigt und von den Spelzen befreit werden. Dazu wurden häufig von Stellmachern gefertigte Windfegen *3, die sogenannten „Waihmöhlen“ verwendet. Kleinere Betriebe aber erledigten diese Arbeit bei windigem Wetter mit einem Handsichter im Freien. In wochenlanger mühsamer Arbeit wurde auf diese Art das für Menschen und Tiere benötigte Getreide gewonnen.

Um die Jahrhundertwende, etwa 1900, kamen die ersten fabrikmäßig hergestellten Dreschkästen auf. Dazu musste man aber einen Göpel *4 auf dem Hofe haben, um eine solche arbeitserleichternde Maschine anzutreiben. Ein Göpel war ein schweres einbetoniertes gusseisernes Getriebe mit einem starken Balkenkreuz darauf, vor dem je nach Kraftbedarf mehrere Pferde gespannt werden konnten. Über gewisse Kardanwellen und Transmissionen wurde die Kraft dann ins Haus auf die Tenne geleitet, wo der Dreschkasten aufgestellt worden war. Mit einem breiten und starken Iedernen Treibriemen wurde die Maschine angetrieben. Die Dreschkästen hatten eiserne Räder und ähnelten schon den um die zwanziger Jahre aufkommenden größeren, moderneren Dreschmaschinen mit eingebauter Vollreinigung. Diese wurden mit Dampfmaschinen, später mit Bulldozern oder Elektromotoren angetrieben. Die alten einfachen Dreschkästen *5 waren aber wesentlich kleiner. In ihrem Inneren befand sich eine mit Schlagleisten besetzte, schnell rotierende Trommel, die sich in einem sogenannten Dreschkorb befand, der ebenfalls innen mit Schlagleisten besetzt war.

Eine Person musste oben auf der Maschine stehen und die ihm angereichten Garben auftrennen und langsam sorgfältig verteilend in den Einleger geben. Auf einem Ende des Gerätes kam das ausgedroschene Stroh heraus, nachdem es den Rüttelschütter überlaufen hatte, auf dem anderen Ende rieselte das zunächst ungereinigte Korn in angehängte Leinen- oder Jutesäcke. Das austretende Stroh musste nun wieder zu Bunden aufgebunden werden und auf einen Lagerplatz gebracht werden. Das Korn musste mittels der Windfegen (Waihmöhlen) gereinigt werden, bevor man es zum Vermahlen zu den Lohmühlen, Wind- oder Wassermühlen bringen konnte. Die Ilserheider Bürger brachten ihr Getreide im Süden des Ortes zur Bierder Windmühle, der mittlere Teil hingegen zog die Wassermühle (Klenken Mühle) unterm Knickberg vor, während der nördliche Ortsteil sein Korn über die Mühlenstraße zur Quinheider Windmühle, aber auch durch die Lehmstraße (Alter Postweg) zur Bockwindmühle nach Neuenknick transportierte.

Ansicht der Wassermühle vom Knickberg aus, um 1900
Das alte Wohn- und Wirtschaftsgebäude der Klenken Mühle

Der letzte Bockwindmüller in Neuenknick, Heinrich Brockmeier, ein Verwandter meiner Frau erzählte mir, dass er oftmals, wenn sich der Wind gedreht hatte, mitten in der Nacht aufstehen musste, um die Mühle mit einer Handwinde in den Wind (zum Mahlen), oder auch aus den Wind drehen musste, um das Mahlwerk bei Sturm zu sichern. Nicht selten war es in der Umgebung vorgekommen, wenn bei sehr starkem Wind sich die hölzerne Bremse gelockert hatte, dass die Mühle in Brand geraten war. Ebenso galt das Aufstehen in der Nacht bei aufkommendem Wind auch gerade dann, wenn nach wochenlanger Windstille nicht gemahlen werden konnte und die Bürger sehnsüchtig auf die Abholung ihres Getreideschrotes oder Backmehl gewartet hatten. Dann galt es bei aufkommendem Wind die Gunst der Stunde zu nutzen und zu mahlen, so viel gerade ging. Auch das von den Bürgern benötigte Feinmehl zum Brotbacken konnten die Müller herstellen, dazu musste es dann die Beutelkiste *6 durchlaufen. Gröberes Mehl zum Baken von Grobbrot erhielt man, wenn es über das grobe Tuch, oder den groben Beutel gesiebt war, Feinmehl für das „Fienbrot“ erhielt man nur durch den feingewebten leinenen Beutel. Im Winter, wenn geschlachtet wurde, mussten die Mühlen auf dem sogenannten Graupengang auch Graupen oder Grütze für die leckere Stippgrütze, oder auch „Pannas“ genannt, aus getrockneter Sommergerste mahlen. Dann hatte man häufig Tag und Nacht zu tun, erzählte er.

Er berichtete weiter, dass er in seinen jungen Jahren, etwa um 1910 von dem obersten Stockwerk seiner Mühle nicht weniger als 28 weitere Windmühlen in der Umgebung sehen konnte. Häufig benutzten die Müller ihre Mühlen bei Stillstand auch als weithin sichtbare Nachrichtenübermittlung. Sie beherrschten einen bei allen Windmüllern bekannten Code für die Flügelstellungen ihrer Mühlen. So konnten sie zum Beispiel wichtige amtliche oder polizeiliche Nachrichten und Warnungen in kürzester Zeit weiterleiten. Es war die Aufgabe der Müller, Gefahrensituationen durch die besondere Stellung der Flügel den Menschen in der Umgebung anzuzeigen und sie vor Unwetter und anderen Gefahren, etwa kriegerischen Bedrohungen zu warnen. In früheren Zeiten dienten die Mühlen auch als Zufluchtsorte und „Trutzburgen“ für die Dorfbewohner, soweit diese aus Stein gebaut waren, wie zum Beispiel die Königsmühlen, wovon noch einige in unserer Heimat, zum Beispiel in Seelenfeld zu besichtigen sind. Andere Mühlen ähnlicher Art stehen noch in Heimsen, Ovenstädt, Loccum und Lahde, die oft aber in veränderter Form auf einem, für Pferdefuhrwerke durchfahrbaren Untergebäude errichtet worden sind.

Wenn im Winter das Wetter gar zu kalt geworden war, wussten auch die Männer der etwas älteren Generation sich in der warmen Stube, oder im vom Vieh erwärmten Stall zu beschäftigen. Sie nutzten die Zeit, um Reiserbesen aus Birkenreisig oder Heidekraut zu binden, oder Körbe, Kiepen und Mollen aus Weidenruten zu flechten. Auch Seile zum Anbinden des Viehs, für Zugstränge an den Wagen und anderen Geräten, sowie Pferdeleinen und Ernteseile wurden aus der Hede, dem Flachsabfall gesponnen und gedreht. In neuerer Zeit nahm man dazu auch gern Sisalbindegarn, mit dem die Strohbunde beim Dreschen mit den modernen Pressen, eingebunden waren und als Abfall beim Einstreuen des Strohes anfiel. Auch die Wartung, Pflege und Reparatur von Gebrauchsgegenständen, wie Pferdegeschirre, Werkzeuge und allerlei anderem Kram lag auf den Bauernhöfen in den Händen der älteren Männer. Meistens war in einer Ecke der alten Backhäuser eine kleine Werkstatt für solche Arbeiten eingerichtet. An den etwa in zweiwöchigem Abstand angesetzten Backtagen heizte dann der Großvater den Backofen ein und konnte nebenbei in der Nähe des warmen Feuers allerlei Arbeiten verrichten. Für die jüngeren, kräftigen Männer galt es in der kalten Jahreszeit im Wald zu arbeiten und neben dem Nutzholz auch das benötigte Heizmaterial zu besorgen. In den moorigen Gebieten wurde dann auch fleißig Torf gestochen, der wurde dann im Moor kreuzweise gestapelt und musste einen Sommer lang trocknen, bevor er heimgeholt und verheizt werden konnte. Auch ganz in unserer Nähe stachen die Leute im „Dupenbrauk“ in Ilse ihren Torf.

Kam der Februar mit seinen schon etwas helleren und längeren Tagen ins Land, musste auch Stallmist und Wiesendünger ausgebracht werden, solange der Boden noch gefroren war. Oft standen die Knechte und Mägde dann tagelang auf dem Misthaufen und luden mit der Forke das schwere speckige Material auf die Wagen. Dann wurde es vom Gespannführer auf das Feld gefahren und in kleinen Haufen in Reih und Glied abgehakt. Während der Zeit des Wegbringens wurde auf dem Hof bereits ein weiterer Wagen vollgeladen. Das nannte man dann, mit „stoahenden Woagen föhrn“. Nach solchen anstrengenden Tagen waren alle, Menschen und Tiere froh, wenn endlich Feierabend gemacht wurde. Die heutigen Probleme mit den Bandscheiben kannte man zu jener Zeit nicht, die menschlichen Körper waren tüchtig durchtrainiert und die Muskeln hart wie Kruppstahl.

Nun schmeckte ein gutes kräftiges Abendessen mit einem deftigen Stück Speck oder einem guten Tampen Wurst und einem Köben Kornbrandwein aus der großen Korbflasche besonders gut. Dieser „Brannewien“, wie man ihn früher nannte, wurde stets vom Bauern selbst gegen Lieferung von Getreide, aus den in der Nähe liegenden Brennereien geholt. Es gab davon welche in mehreren Dörfern. In Ilse, Wulfhagen, Jössen, Windheim, Wiedensahl und Lahde wurden bis Mitte des 19. Jahrhundert noch solche begehrte Brände hergestellt. In jüngerer Zeit aber musste der Schlamps aus den noch existierenden großen Brennereien in Leese, Hille und Minden, sowie der Klosterbrennerei Loccum besorgt werden, bevor man ihn etwa ab der Jahrhundertwende dann gegen das knappe Geld auch bei den eingesessenen Krämern einkaufen konnte. Mein Großvater, der in seinen jungen Jahren bei Reinkebuuk, später Bakemeier und Dörmann im Ortsteil Wulfhagen als Knecht auf dem Hofe gedient hatte, erzählte, dass im Nachbarhause bei dem Bauern Wienbrenner, später Heinrich Daseking, in den Wintermonaten regelmäßig Kornbrandwein hergestellt worden ist. Damit konnten die Wulfhäger ihren Bedarf in der Nachbarschaft besorgen. Wenn die jungen Männer tagsüber mit den Gespannen fuhrwerkten oder ackerten, bekamen sie von der herzensguten Bäuerin stets einen Ort Brannewien pro Person, etwa 0,1 Liter mit zum Frühstück.

Das andere Nachbarhaus beherbergte eine Lohngerberei, auch „Lohgerberei“ genannt, wegen der verwendeten Eichenlohe. Hier wurden die bei Schlachtungen, aber auch Tierverendungen anfallenden Tierhäute zu wertvollem Leder für die vielen Schuhmacher verarbeitet. Jedes verendete Stück Vieh wurde für die Herstellung von Seifen, (Herstellung im Anhang näher beschrieben) oder Fetten als Wagenschmiere direkt auf den Höfen verwertet, bexvor später dann die Kadaverbeseitigung gesetzlich geregelt wurde. Es hat in früherer Zeit auch an der Vahlser Straße eine Abdeckerei gegeben, in alten Dokumenten ist von der „Ilser Filleri“ die Rede. Sehr gutes Oberleder für Stiefel und Schuhe gaben Kalbs‘, – Ziegen‘ – und Schafhäute ab, während Häute von Kühen, Ochsen und Rindern das dicke, starke Sohlleder hergaben. Auch für die Herstellung von Geschirren für die Zugtiere und Treibriemen wurde das starke Leder verwendet. Selbst die damals benötigten Feuerlöscheimer, von denen auf den Bauernhöfen stets eine gewisse Anzahl an verschiedene Plätzen griffbereit parat gehalten werden mussten, waren aus Leder gefertigt. Jeder Bauer hatte davon einen gewissen Vorrat im Hause. Im Winter kamen dann die Schuhmacher und Sattler ins Haus und fertigten die benötigten Artikel. Oftmals blieben solche Handwerker aber auch mehrere Tage auf dem Hofe und übernachteten in der Gesindekammer nahe des Viehstalles. Damit konnten sie bis zum späten Abend am warmen Herdfeuer ihrer Arbeit nachgehen. Jedoch auch die Knechte und größeren Buben der Bauern beschäftigten sich im oberen Teil der großen Deele mit allerlei Arbeiten. Die Reinigung und Pflege von Schuhwerk und anderem Ledergeschirr, das Schnitzen von Harkenzinken, ausbütteln von Hülsenfrüchten, Erbsen, Bohnen und anderen Samenfrüchten, auch Strümpfe stopfen und Säcke flicken gehörte beim Schein von Öllampen und Petroleumleuchten zu ihren 

Aufgaben an den langen Winterabenden. Das solche Winterabende besonders lang waren, erfährt man, wenn man bedenkt, das mit Einbruch der Dunkelheit sämtliche Stallarbeit getan sein musste, elektrische Beleuchtung kannte man bis Anfang des Zwanzigsten Jahrhundert noch nicht.

Erst ab 22.00 Uhr war endgültig Feierabend und eventuell noch Zeit für privates Vergnügen. Oftmals kamen dann am Samstagabend mehrere Jungen und Mädchen zusammen und man schwang bei Mundharmonikamusik und Gesang auf der Deele noch das Tanzbein bis in die Nacht. Einige junge Männer verstanden es auch ausgezeichnet auf einem Kamm zu blasen, seltener aber auch Handharmonika zu spielen. Verstand es dann noch jemand, die Teufelsgeige *7  zu bedienen, ein selbstgefertigtes Schlag- und Streichinstrument, war die Musik perfekt. Dazu wurde dann ein Sack voll Schewe, (Spelzen vom Flachs) oder Haferspreu auf der Tenne ausgestreut, um den Lehmfußboden etwas gleitfähiger zu machen. Getanzt wurde in der damaligen Zeit bei solchen Anlässen grundsätzlich in Holzschuhen, die man in der Winterzeit der warmen Füße wegen ständig trug. Manche spätere Ehekandidaten haben sich auf diese Weise kennen gelernt und sind sich körperlich nähergekommen. Getanzt wurden Walzer, Rheinländer, Schieber, Schotzken und auch der im nahen Schaumburger Land übliche ,,Achttourige“, den aber hier im nördlichen Kreis Minden nur wenige junge Leute beherrschten. Nur wer bereits im Nachbarland gedient hatte, traute sich diesen einmalig schönen Tanz zu. Mein Urgroßvater, (1848 — 1933) Christian Döhrmann, dessen Frau in ihrer Jugend in Wiedensahl diente, beherrschte diesen Tanz und hat ihn hier in unseren Dörfern an viele junge Tänzer weitergegeben. Heute aber ist bei uns im Westfälischen dieser Tanz wieder in Vergessenheit geraten, nur einige Trachtengruppen aus dem nahen Schaumburg-Lipper Land bieten ihn heute noch auf Volksfesten und anderen Schauveranstaltungen dar.

Sonntagsmorgens stand dann wechselweise der Kirchgang als absolute Pflicht auf dem Programm. Einen Sonntag waren die Herrschaften dran, die mit Pferd und Wagen nach Windheim, Lahde aber auch nach Wiedensahl fuhren. An der, nah bei der Kirche gelegenen Schenke, wurde ausgespannt, dem Pferd ein Hafersack umgehängt und los ging es zum Gottesdienst. Am anderen Wochenende war dann das Gesinde dran, sie versammelten sich in größeren Gruppen und machten den Weg zur Kirche bei gutem Wetter stets zu Fuß, sie durften bei schlechtem Wetter aber auch ein Fuhrwerk nehmen. Welchen Spaß und wie viel schöne Erzählungen auf dem Weg zur und von der Kirche zum Besten gegeben worden sind, lässt sich heute kaum noch nachvollziehen. Zurück auf dem Hofe gingen dann alle gemeinsam zu Tisch. Der war an Sonntagen immer besonders fein und reichhaltig gedeckt. Ein sehr beliebtes Sonntagessen war häufig Grünkohl mit Speck und Kohlwurst aus eigener Schlachtung mit zusätzlich einem Bregenbeutel darin und extra Salzkartoffeln. Oder aber auch die beliebte Graupensuppe mit ähnlichen Einlagen. Zu den Festtagen, Wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten und größeren Familienfesten wurde stets ein oder zwei Stück Federvieh geschlachtet und auch der beliebte Butterkuchen im eigenen Backofen gebacken. Am Sonntagabend gab es meistens Bratkartoffeln mit Eiern und Speck, Rührei, oder Brot mit verschiedenen Wurstsorten und dazu aufgewärmte Suppe von dem übriggebliebenen Mittagsessen. In den Sommermonaten aber kamen stets ein paar Schüsseln mit zuckerbestreuter Dickmilch dazu. In der Winterzeit wurde vielfach abends auch eine Pfanne voll Wöbkenbrot gebraten und gegessen. Das Wöbkenbrot wurde beim Schlachten hergestellt und bestand aus Roggenmehl, Blut, fein gehackter Schwarten und Speckwürfeln. Die angemengte Masse wurde in handliche Kugeln geformt und im Wurstkessel gegart. Man bewahrte die Brote in einem Weidenkorb in der Räucherkammer hängend auf. Zum Essen wurde es in eine Pfanne geschnitten, oft mit einem guten Stück Topfsülze gebraten, oder mit ein paar Eiern überbacken, ähnlich wie man auch Bratkartoffeln macht. Zu Brot mit Butter oder Griebenschmalz heiß aus der Pfanne gegessen,

war es zur damaliger Zeit eine Delikatesse und stand auch gut bei den Rippen, wie man früher zu sagen pflegte. Das alltägliche Mittagsmahl bestand an den Wochentagen grundsätzlich aus kräftigem Eintopf mit Speck und Pökelfleisch. Übliche Eintopfgerichte waren unter anderen: Weiße Bohnen mit Speck, Bratbirnen mit weißen Vizebohnen, Schlaternkohl vom Weißkohl, Steckrübenmuß mit Bregenbeutel, Schweineschnuten und Pfoten, Dörrobst mit Mehlklüten und gebratene Rippchen darin, Möhreneintopf, Graupeneintopf, Buttermilchsmuss, Erbseneintopf und vielen anderen Gerichten, die meist alle von einer tüchtigen Portion durchwachsenem Pökelfleisch und fettem Speck aus der Schweineseite ergänzt wurden. Da man im Winter wegen der fehlenden künstlichen Beleuchtung länger im Bett blieb und erst beim Morgengrauen aufzustehen pflegte, gab es nur eine Vesper am frühen Morgen. Die bestand aus dem guten alten Sauerbrot, meist aus Roggenvollkornschrot zu dem gesunden Grobbrot gebacken, mit Wurst und Schinken. Wurden die Tage und damit auch die Arbeitszeit der Menschen länger, gab es gegen 9.00 bis 10.00 Uhr das zweite Vesper, (Frühstück) was im Gegensatz zum Ersten dann wesentlich reichhaltiger ausfiel. Das erste Vesper bestand bei den Bauern etwa von März bis September in der Regel nur aus ein oder zwei Setten (flachen Tonschüsseln) entrahmter Sauermilch oder Dickmilch mit Trockenquarkeinlage (Keesemelk) und eingebrocktem Brot, das von mehreren Leuten gemeinsam mit hölzernen Löffeln aus der Schüssel gegessen wurde.

Ältere Menschen pflegten zu sagen, dass in der Zeit des Vogelzuges im Frühjahr die Kraniche das zweite Vesper mitbrächten. Im Herbst auf ihrem Flug in den warmen Süden, dieses dann aber auch wieder mitnahmen.

„Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt, er pflüget, er egget und säet sein Land.“ Ein wahres Dichterwort, dass heute ein wenig in Vergessenheit geraten ist, denn wo sieht man heute noch Pferdegespanne auf den Feldern die Bestellung machen. Wo noch Jungen und Mädchen bei der Ernte lustig lachen, wo sieht man noch Hirten bei den Herden stehen, Leute, die zu Fuß am Sonntag fröhlich hin zur Kirche gehen. Wo finden sich gesellig zusammen in warmen Winterstuben, die jungen Mädchen noch und Buben. Es ging vorbei die schöne, alte Zeit, modern heißt nun ,,inn“ und schön, ganz einfach ,,geil“, oder auch ,,cool“ in unserem Leben heut.

Im Frühling begann die Feldarbeit und alle Hände wurden gebraucht. Der große Gemüsegarten wollte auch bestellt werden, es wurde gegraben, geharkt, gesät und gepflanzt. Zuerst waren die verschiedensten Kohlsorten dran, man konnte sie meist in der Nachbarschaft, Gross, (120 Stk) oder Schockweise, (60 Stk) sowie zum Dutzend, (12 Stk) erhalten. Verschiedene Einwohner zogen die jungen Pflanzen in Frühbeeten heran und verdienten sich ein paar Groschen zusätzlich damit.

Nachdem etwa Mitte April auf den Feldern der Hafer gesät war, wurde der Acker für das Kartoffelpflanzen hergerichtet. Mit Körben und Kartoffelsäcken beladen fuhren die Pferdewagen unter Begleitung aller verfügbaren Hilfskräfte hinaus aufs Feld. Unter dem ununterbrochenen Gesang tirilierender Lerchen wurden die Erdäpfel in die Pflanzlöcher gesteckt und anschließend mit einem Pferd und einem Häufelpflug zugepflügt. Man erlebte die lebendige, fröhliche Natur jeden Tag wieder aufs Neue und erfreute sich daran. Jetzt begann das Hacken und Jäten in den Gärten und auf den Feldern. Im schnell wachsenden Wintergetreide, in der hiesigen Gegend meistens Roggen oder Weizen, mussten mit speziellen Stecheisen „Dießelsteakern“ Disteln, Ampfer, Kornrade und anderes hochwachsende Unkraut ausgestochen, oder ausgerupft werden. Frisch bestellte Felder, Mähweiden und Wiesen wurden nach Unrat, Holz und Steinen abgesucht und die Maulwurfshügel in Wiesen und Weiden mit einer schweren hölzernen Schleppe eingeebnet. Es wurde gejaucht und der Mineraldünger in Form von Phosphat und Kali ausgestreut. Zäune und Tore an den Viehweiden mussten kontrolliert und repariert werden. Es gab nun keine Verschnaufpausen mehr auf den Bauernhöfen und wenn es dunkel wurde, ging jeder müde ins Bett, denn beim Morgengrauen hieß es wieder ,,Raus aus den Federn!“ Die Kühe wurden noch mit der Hand gemolken und die Viehställe mit der Forke ausgemistet, Pferde und Kühe wurden jeden Morgen gestriegelt und gebürstet. Nicht wenig von dem dicken Winterhaar wurde so jeden Tag aus ihren Fellen gekämmt. Die letzten Runkelrüben wurden aus den Mieten in die Scheune geholt. Der ehemalige Mietenplatz eingeebnet und meistens mit Grünkohl, Braunkohl oder Mais bepflanzt. Etwa Mitte Mai wurden Vizebohnen in die fein zubereiteten Saatbeete gepflanzt. In früheren Zeiten benötigten die dörflichen Bewohner eine gehörige Menge an Hülsenfrüchten. Gerade die Vizebohne durfte in fast keinem Eintopf fehlen. Sie galt früher neben der erst später publik gewordenen Kartoffel als unverzichtbares Hauptnahrungsmittel. Kaum war man mit den Frühlingsarbeiten einigermaßen auf der Reihe, erklang aus allen Ecken des Dorfes das weit hörbare Dengeln *8 der Sensen. Die „Grasmahd“ stand unmittelbar bevor. Jeder Mann richtete sich seine Sense selbst her, denn ein gut geschärtes Schwert verbrauchte nur die halbe Kraft und war deshalb Goldes wert.

Ende Mai bis Anfang Juni ging es in Gruppen von Mähern Tag für Tag, bereits in aller Frühe beim Grauwerden mit geschulterten Sensen zu den Wiesen und Auen. In Reih und Glied, einer nach dem Anderen wurde gemäht, bis kurz vor Mittag die Sonne hoch am Himmel stand und so mancher Schweißtropfen von der Stirn geronnen war. Die Mägde, die in diesen Tagen die Stallarbeit allein besorgen mussten, waren zur Frühstückszeit mit dem Vesperkorb und einem stärkenden Trunk darin, zu den Männern gestoßen. Sie waren mit Harken und Forken bewaffnet, um die geschnittenen Grasschwaden zum Trocknen zu verteilen, während vom nahen Wald das Rufen des Kukuks laut zu hören war und manchem zum Nachahmen des beliebten Rufes dieses heimischen Vogels, mit einem lauten kukuk- kukuk anregte.

Am Nachmittag war dann aber für etwa zwei Stunden ,,Mittagsruhe“ für alle Bewohner des Hauses. Danach gab es eine gute Tasse Kaffee und einen selbstgebackenen Stuten mit Rosinen darin und Rübensirup als Aufstrich. Wenn nach der abendlichen Stallarbeit die Sensen dann wieder neu nachgedengelt worden waren und das etwas verfrühte Abendbrot verzehrt war, ging es wieder hinaus ins Gras. Nun wurde in der kühleren Abendzeit bis zum Dunkelwerden weiter gemäht. Endlich wieder daheim gab es erst einmal einen großen Schluck aus der Brandweinflasche und noch einmal ein Nachtmahl in Form einer Schüssel Dickmilch und Brot. Anschließend spendierte mancher Bauer seinen Mähern noch eine gute Zigarre. Ein Weilchen wurde noch geklönt und die Arbeit für den nächsten Tag besprochen, bis dann alle wieder nach Hause gingen und müde ins Bett fielen. So ging es Tag für Tag, bis alles Gras gemäht war und das erste Heu, das inzwischen von den Frauen und Mädchen „verheut“ wurde, bereits trocken war.

Jetzt hieß es, die großen Leiterwagen herzurichten und einzufahren, solange das Wetter es zuließ. Sobald die Wiese am frühen Morgen abgetrocknet war, wurde das Heu, das am frühen Abend zuvor in große Haufen gesetzt worden war, wieder verteilt. Noch einmal musste es gegen Mittag mit der Forke oder Harke umgewendet werden.

Nach dem Mittagessen war es dann so weit trocken. Es wurde mit Harken und Forken zu langen, dicken Reihen in der Wiese zusammengerafft. Nun kam der Bauer mit zwei hintereinander gehängten Leiterwagen und es konnte geladen werden. Eine Frau oder Magd stieg auf den Wagen und hatte zu packen. Der Bauer und einer seiner Knechte oder Helfer nahmen ihre langstieligen Forken und rollten zu beiden Seiten des Wagens eine große Heukugel zusammen, die dann auf dem Wagen gut postiert, aufgesetzt wurde. Nach etwa einer halben Stunde war ein stattliches Fuder geladen, mit dem Wiesenbaum gebunden, schon sauber abgeharkt und zur Heimfahrt bereitgestellt. Nun kamen die Zugpferde vor den zweiten Wagen und die schweißtreibende Arbeit begann von vorn. Ein Pferd kam vor die große Harke und der freigewordene Teil der Wiese wurde fein sauber ausgeharkt, während das andere Pferd den Wagen beim Beladen allein weiterziehen musste. War auch das letzte Fuder voll, wurden beide Wagen wieder zusammengekoppelt und es ging heimwärts. Zu Hause fuhr man das erste Fuder gleich auf die Tenne, das andere blieb derweil auf dem Hofe stehen, bis das erste abgeladen war. Oftmals ließ man es aber auch über Nacht stehen und lud am nächsten Morgen gleich nach dem Hellwerden ab. Dann war es auf dem Heuboden wesentlich kühler und die Arbeit war nicht so schweißtreibend. Manchmal musste bei gutem Standwetter so Tag für Tag die gleiche Arbeit gemacht werden, bis nach drei – vier Wochen alles Heu im Trockenen war. Nun gab es für Menschen und Tiere endlich eine kleine Ruhepause, die meistens von den Herrschaften genutzt wurde, um in einem in der Nähe befindlichen Heilbad einige Bäder zu nehmen. Man fuhr mit dem kleinen Jagd- oder Federwagen zum Brunnen, wie so eine Badeeinrichtung damals genannt wurde. In unserer Gegend war das Schwefel und Solebad auf dem nahen Stehbrink ein sehr beliebtes Bad. Ein weiteres seiner Art war Bad Dankersen bei Minden. Aber auch Bad Hiddenserborn im Schaumburger Land und das Moorbad Hopfenberg wurde gern besucht. All diese Bäder hatten ihre Blütezeit in der guten alten Kaiserzeit um 1900 und entwickelten sich später im dritten Reich zu beliebten Auszugs- und Freizeitanlagen.

Die Bediensteten und Tagelöhner hatten nun die Feldfrüchte zu hacken und unkrautfrei zu halten, was eigentlich als angenehme leichte Arbeit galt und wegen der Tageshitze bevorzugt in den frühesten Morgenstunden, oder in der Abendzeit gemacht wurde.

Wenn des Morgens die Kühe gemolken waren, wurden sie mit Hilfe des Hofhundes auf die Weide getrieben und mittags kamen sie zum Melken und Tränken wieder in den Stall. Es wurde ja grundsätzlich dreimal, bei Kuhhaltern mit weniger Tieren auch viermal am Tag gemolken. Am Nachmittag gegen 15.00 Uhr wurden sie wieder hinausgetrieben und am

Abend wieder zum Stall zurück. Häufig ließ man sie, wenn die Weiden eingezäunt waren, in der heißesten Jahreszeit aber auch über Nacht draußen und holte sie am frühen Morgen in den Stall. Dann hatten sie weniger mit der Insektenplage zu kämpfen, was sich auf den Milchertrag günstig auswirkte. Sie blieben gewöhnlich bis zum Abend im Stall und erhielten zwischendurch Stroh als Ballastfutter, was nach dem Verzehr des sehr frischen taufeuchten Grases, gern gefressen wurde.

Ab Mitte Juli erklang wieder das Dengeln der Sensen, der Roggen war reif und musste gemäht werden. Tagelang waren Männer und Frauen auf den Feldern und schnitten das reife Korn. Hinter jeder Sense war eine Frau damit beschäftigt, das lange Getreidestroh zu handlichen Garben zusammen zu raffen und mit einer Hand voll Getreidehalmen, dem sogenannten Seel aufzubinden. Alle Hände wurden gebraucht, so dass auch die Kinder, die ja bereits in den großen Ferien waren, auf dem Felde zu helfen hatten. Fein säuberlich aufgebunden wurden die Garben am späten Nachmittag dann in langen Reihen auf dem Feld zu „Stiegen“ oder auch „Hocken“ zusammengestellt. Eine Stiege Roggen bestand immer aus zwanzig, eine Hocke Hafer oder Weizen, dagegen nur aus sechzehn paarweise aufgestellten Garben. Nach einer Trocknungszeit von mindestens acht, oft bis vierzehn sonnigen Tagen kamen wieder die großen Leiterwagen zum Einsatz. Zwei junge Frauen oder Mädchen hatten auf dem Wagen zu packen, Während die Männer, die nicht gerade leichten Garben hochstakten. Ein etwas älteres Schulkind hatte dabei mit der Hungerharke *9 die liegengebliebenen Halme mit den noch vollen Ähren zusammenzuharken und bei einem der Männer abzulegen, der das Harkelse dann auf den Wagen beförderte. Zu Hause wurden die Fuder dann auf der Tenne oder in der Scheune entladen. Die Getreidegarben wurden akkurat eingepackt, was meistens der Bauer selbst, oder die ältere Magd zu besorgen hatte. Die Kinder hatten die Garben auf dem Stapel weiterzureichen, was häufig keine leichte Arbeit war.

War in jüngerer Zeit, etwa nach 1920, die Roggenernte geschafft, kam die Dreschmaschine ins Haus. Ein Großteil des eingefahrenen Korns wurde nun gleich ausgedroschen, damit bei der folgenden Haferernte wieder etwas mehr Lagerplatz zur Verfügung stand, denn viele Bauern hatten mittlerweile ihre Anbauflächen enorm vergrößert und früheres Brachland urbar gemacht. Auch waren in den ersten Jahren des 20. Jahrhundert auf den ehemals feuchteren oder vernässten Flächen inzwischen Dränagen verlegt worden, so dass der Ertrag erheblich gesteigert worden war.

Alle Nachbarn halfen sich bei den Drescharbeiten gegenseitig mit Arbeitskräften aus. Auf manchen Höfen gab es dann ein richtiges, für die Kinder der Nachbarschaft lang ersehntes ,,Döskefest“. Nach dem festmäßigen Mittagsmahl der Helfer durften dann die Kinder an der lang gedeckten Tafel Platz nehmen und sich tüchtig bei Hühnersuppe und Schweinebraten satt essen. Hinterher kamen immer ein paar Schüsseln mit dem herrlichen Pudding auf den Tisch.

Bis etwa 1935 war es üblich, die großen leistungsstarken Dreschmaschinen mit einer Dampfmaschine, dem sogenannten großen Kessel, oder auch Lokomobile anzutreiben. Hierfür war extra ein spezieller Heizer bei dem Dreschzug, er hatte bereits einige Stunden vor Dreschbeginn anzuheizen, um genügend Dampf auf dem Kessel zu haben, Wenn es in aller Morgenfrühe losgehen sollte. Geheizt wurde mit gutem, kernigen Eichen und Buchenholz, später wurden aber auch überwiegend Eierkohlen dazu genommen. Stets waren die Betreuer der Drescheinheit etwas eher fertig mit dem Essen, sie gingen an ihre Maschinen, schmierten ab und reinigten die Siebe. Wenn es dann weitergehen sollte, zog der Heizer an der Dampfpfeife, oder bediente sich seiner Trillerpfeife und forderte damit die Helfer auf, ihre Arbeitsplatze wieder einzunehmen.

Nachdem der Drescher am Abend abgestellt worden, und Feierabend angesagt war, mussten alle verfügbaren Kräfte, auch die Kinder an einem dicken, langen Tau die schwere Dreschmaschine aus der Scheune oder der Tenne ziehen. Dann erst wurden vier starke Pferde davor gespannt und ab ging es zum nächsten Bauernhof, wo am nächsten Tag in aller Frühe wieder der gleiche Trott begann. Etwa ab 1930 hatten verschiedene Dreschmaschinenbesitzer aber schon einen Bulldoggen, mit dem das schwere, meist 5 bis 6 Tonnen wiegende Gerät transportiert wurde. Angetrieben wurde die Maschine nach der Elektrifizierung der Dörfer auch mit einem starken Elektromotor. Nun bestand der Dreschzug aus mehreren Einzelgeräten und war oft mehr als zwanzig Meter lang. Dreschkasten, Strohpresse, Motorwagen mit dem Elektromotor, Röhrenwagen mit den Rohren für den Spreu- und Getreidetransport und dem Kabelwagen bildeten eine Drescheinheit, die nur mit einer starken Zugmaschine zu bewegen war. Wenn an entlegenen Gehöften die Stromversorgung nicht ausreichte, wurde der Bulldog auch zum Antrieb der Dreschmaschine verwendet. Ein langer breiter Flachriemen hatte die Kraft auf Dreschkasten und Presse zu übertragen. Später nach 1950 bekamen die großen Dreschmaschinen auch eingebaute Elektromotore, die das nicht selten mühevolle Aufstellen und Ausrichten der Antriebsmaschinen überflüssig machten. Auch der Abtransport des Getreides mittels Körnergebläse war eine wesentliche Erleichterung. Vor dem Einzug dieser Technik mussten die schweren Kornsäcke, die hinter der Dreschmaschine in kurzen Abständen voll geworden waren, auf dem Rücken starker Männer über die Treppe auf den Kornboden getragen werden, wo sie dann ausgeschüttet wurden. Mit dem leeren Sack unter dem Arm ging es dann oft im Laufschritt zurück zur Maschine, wo der nächste volle Sack schon wartete. Zwei bis drei Männer waren für diese Arbeit eingeteilt und wechselten sich beim Tragen ab.

Oben auf dem Speicher waren einige jüngere Helfer und Helferinnen mit dem Aufnehmen und Weiterreichen der Garben zum Einleger beschäftigt. An der Luke saß meistens eine Frau mit einem langen scharfen Brotmesser, sie hatte das Bindegarn oder das Strohseel, das die Garben zusammengehalten hatte, zu durchtrennen, bevor das Getreide dann von einem Mann, dem Einleger in die Maschine gelegt wurde.

Draußen vor der Strohpresse taten einige Frauen ihre Arbeit. Sie hatten für den Abtransport der Strohbunde zu sorgen, die wiederum von starken Männern mit einer langstieligen Forke auf den Speicher gestakt werden mussten, bevor sie dort vom Packer wieder fachgerecht gestapelt wurden. Alles in Allem waren bis zu zwanzig Arbeitskräfte bei der Drescharbeit nötig. Am Abend, nachdem das Gebäude von allen Helfern gemeinsam vom Staub und Dreck gereinigt war, gab es dann wieder an der langen Tafel ein deftiges Abendessen mit verschiedenen Wurstsorten und fein aufgeschnittenem Schinken. Dazu entweder Fleischbrühe, Kaffee oder Tee. Im Anschluss wurde dann häufig noch tüchtig eingeschenkt und den Männern eine gute Zigarre, den Frauen Süßigkeiten gereicht, bevor schließlich alle schmutzig nach Hause gingen, sich dort vom Dreschstaub reinigten und dann müde und abgekämpft ins Belt fielen. Am nächsten Morgen ging es oft wieder um 4.30 Uhr aus den Federn und in die Nachbarschaft zu einem erneuten Einsatz gleicher Art.

Waren auf den Feldern die Hocken gesetzt, begann zwischen den langen Reihen schon das Pflügen. Nachdem die Stoppelfelder mit Jauche gedüngt worden waren, wurde das Land umgebrochen und für die Einsaat von Zwischenfrüchten als Viehfutter, wie Stoppelrüben, Steckrüben und Rapsarten hergerichtet. War dann schließlich auch der Hafer unter Dach und Fach, wurden die Stoppelfelder geschält und ausgeeggt, um den Unkrautsamen zum Keimen zu bringen und später die aufgelaufenen Pflänzchen durch wiederholtes Eggen zu vernichten. Man kannte die modernen Spritzmittel noch nicht und hielt so seinen Acker nach alter, umweltfreundlicher Art ziemlich frei von Unkraut.

Inzwischen war es September und der Herbst kündigte sich mit den vielen, in der Luft schwebenden Spinnfäden, dem sogenannten Altweibersommer an. Jetzt kamen die Kartoffeln an die Reihe. Viele Bauern hatten sie als Viehfutter auf mehreren Morgen (1/4 ha) angebaut. Nun wurden auch Lohnarbeiterinnen angeworben, um die Erdäpfel zu ernten. Ein Lohnhelfer bekam für einen Nachmittag etwa 5 Mark, oder einen Zentner Kartoffeln.

Zwei Pferde wurden vor den Roder gespannt, die zogen ihn dann Reihe für Reihe an den Kartoffeldämmen entlang. Die herausgeworfenen Kartoffeln wurden dann von den vielen Helfern, unter denen immer auch einige Kinder waren, in Körbe gesammelt und dann auf die bereitgestellten Kastenwagen gekippt. Für die helfenden Kinder war das Kartoffelaufsammeln während der Herbstferien eine beliebte Gelegenheit, sich ein paar Mark zu verdienen. Zum Abend wurde das Feld dann geeggt und das Kraut zusammengerafft. Dann mussten alle Helfer noch einmal in gewissen Abständen nebeneinander gehend das Feld nach liegengebliebenen Knollen absuchen. Nach Feierabend durften die Kinder dann häufig das zusammengeschleppte Kartoffelkraut anzünden und in dem Feuer Kartoffeln backen, was ihnen stets große Freude bereitete. Zu dieser Zeit war dann die Luft vom Rauch der vielen Kartoffelfeuer erfüllt, überall sah man die Rauchfahnen aufsteigen, es hat sich niemand über die Luftverschmutzung aufgeregt.

Freie Tage wurden in den Herbstferien von den Kindern auch gerne genutzt, um ihre selbstgebastelten Papierdrachen im Wind spielen zulassen. Manche davon standen dann in mehreren hundert Metern Höhe fast regungslos am Herbsthimmel. Erst als nach dem Kriege immer mehr Tiefflieger durch Hubschrauber der Besatzungsmacht stattfanden, wurde von den Luftfahrtbehörden die Schnurlänge für diese Windvögel auf 30 m begrenzt. Damit aber war dieses bei den Jungen so beliebte Drachensteigen uninteressant geworden.

Nachdem auch die Kartoffelernte vorüber war, galt es die Felder zu pflügen und gleich wieder mit Winterroggen zu bestellen. Auf den Bauernhöfen erschien nun die Dämpfkolonne, (Von Haus zu Haus) ein fahrbarer Dampfkessel mit mehreren Dämpfbehältern. Darin wurden die Kartoffeln gargekocht und dann ins Silo gekippt, wo sie von einigen Männern mit extra vom Schmied gefertigten Stampfeisen eingestampft wurden. Auch hier stellten sich dann gern Kinder ein, die eine Pellkartoffel zu erhaschen hofften, um sie mit Hochgenuss zu verzehren. Oft wurde auch Obst, vor allem Äpfel und Birnen mit in den Dämpfer gelegt, die dann nach der Kochzeit von einem der Männer herausgenommen und den Kindern zum Verzehr gereicht wurden. All das waren herrliche Erlebnisse für die Kinder in früheren Tagen, die heute leider unwiederbringlich der modernen Zeit zum Opfer gefallen sind. Heutzutage haben die Kinder vielfach andere Interessen, wie zum Beispiel: Computerspiele, Gameboys, Handys und dergleichen.

Ab dem 10. Oktober, wenn die Kartoffelernte vorbei war, ging es den Futterrüben zu Leibe. Wieder hatten alle Hilfskräfte die schwere Arbeit von Hand zu verrichten. Die Runkeln wurden aus der Erde gezogen und in Reihen abgelegt. Mit einem großen scharfen Messer wurde das Laub abgetrennt und als Viehfutter nach Hause gefahren. Manche Bauern silierten es auch als ergänzendes Winterfutter ein. Die Rüben wurden in der Nähe des Hofes in einem langen Wall zusammengefahren und frostsicher mit Erde abgedeckt. Dabei kam die letzte Schicht Erde aber erst Ende November darüber, damit die Früchte sich in der Miete nicht zu sehr erwärmten und zu verfaulen drohten. Tagelang standen dann die Männer mit Spaten und Schaufeln an dem Runkelwall. Indes hatte der Gespannführer (Bauer oder Knecht) damit zu tun, den Rübenacker zu pflügen und das letzte Wintergetreide zu sähen.

Danach galt es dann auf den übrigen Feldern die Stoppelrüben und vereinzelt auch Steckrüben zu ernten und ins Winterlager zu verbringen, bevor der Acker als Winterland gepflügt wurde. Damit endete dann für die Bauern die sichtbare Arbeit im Außenbereich. Dafür begann nun die, für Außenstehende unsichtbare Arbeit in den Bauernhäusern. „Üblicherweise“ pflegten manche anderweitig Berufstätige zu sagen. Wenn der Winter kommt, sieht man außer in warmen Wirtsstuben, keine Bauern mehr, dann stecken sie ihre große Deelentür mit einer Mettwurst zu und machen sich einen guten Tag. Dass ein Arbeitstag der Bauern vom Frühjahr bis zum Herbst in der Regel aber durchschnittlich 14 Stunden und häufig auch mehr betragen hatte, erwähnte niemand. Noch vor Weihnachten musste alles Getreide vom Speicher weggedroschen sein, sollte das Vieh bei Winterbeginn und einsetzenden Schneefallen dann keinen Hunger leiden müssen.

Für die Frauen und Mägde des Hauses stand ab November die Aufbereitung des Flachses auf dem Arbeitsprogramm. Das Flachs, welches am 100. Tag des Jahres ausgesät und im Spätsommer ausgerupft worden war, wurde ja zunächst in kleinen Stiegen zum Trocknen aufgestellt. Dann wurde es in einem Teich oder sonstigem Gewässer eingesümpft, damit die Hülle der Pflanzenstängel faulte und verrottete. Nach drei bis vier Wochen in der ,,Röthe“ wurde es wieder ausgebreitet und luftgetrocknet, dann wieder aufgebunden und zu Hause trocken, meistens auf dem Lehmbackofen gelagert, damit es schön nachtrocknen konnte und nicht zu mürbe wurde.

Jetzt aber, zu Beginn des Herbstes kam es in den Backofen, wenn das Brot gebacken war und dieser am nächsten Tage etwas abgekühlt war. Dieses Verfahren nannte man „dörren“ oder auch „darren“. Nun saßen die Frauen im noch warmen Backhaus, holten das spröde Flachs aus dem Ofen und brachen es auf den Flachsbrachen oder auch Brach- und Brechmühlen. Die holzigen Pflanzenteile wurden dabei von den Fasern, dem eigentlichen Flachs getrennt. Nachdem es dann mittels einer Hechel (Nadelkissen) schön schlicht gekämmt worden war, wurde es zu sogenannten Docken zusammengeschlungen und bis zum Spinnen aufbewahrt.

Bis einige Tage vor Heiligabend hatten die weiblichen Personen in den Dörfern mit dieser Beschäftigung zu tun, dann verstummte das emsige Klappern der Brachen und Brechen. Der Flachsvorrat reichte für die langen Winterabende aus und man begann sich auf Weihnachten einzurichten.

Nun kam gewöhnlich der Hausschlachter ins Haus. Ein besonders gut gemästetes Schwein von vier bis fünf Zentnern Lebendgewicht musste sein Leben lassen.

Das Schwein wurde mittels zwei Hanfseilen, wovon eines durch die Schnauze, über den Rüssel, das Andere hinten um die Ferse eines Beines geschlungen wurde, aus dem Stall geholt. Häufig erfolgte dieses unter lautem Gequieke und Geschrei, als ahnten die Tiere schon, was da auf sie zukommen würde. Mit einem Schlaggeschirr, dem Bolzen und einer Holzkeule wurde das Tier schließlich betäubt und konnte abgestochen werden. Nach dem Ausbluten wurde

das Schwein mit kochendem Wasser abgebrüht und mit dem Schruppeisen von den Borsten befreit. Dann kam der Krummstock durch die Haxen der Hinterbeine. Mit einem Flaschenzug, dem sogenannten „Drießelkopp“ wurde es unter die Decke der großen Deele gezogen. Jetzt wurde das Tier vom Schlachter aufgetrennt und die Eingeweide entnommen. Die Harnblase wurde in einem bereitgestellten Eimer entleert und mit Hilfe eines Röhrchens, welches aus einer Gänsefeder geschnitten war, mit dem Mund aufgeblasen, zugebunden und am Herd in der Stube zum Trocknen aufgehängt. In diese Schweinsblase kam anderntags die gute Mettwurst. Dazu schnitt der Schlachter zu Anfang des anderen Tages die Blase in vier Teile, die dann von der Hausfrau zu Tüten wieder zusammengenäht wurden. Nachdem die Därme gereinigt und gewendet waren, hatte der Schlachter für heute seine Arbeit getan, man setze sich zu Tisch, aß, trank und rauchte noch eine gute Zigarre, die der Bauer aus seiner großen Kiste auf dem Stubenschrank hervorgeholt hatte.

Am anderen Tag erschien der Schlachter bereits in der Frühe, die Magd oder Hausfrau hatte den großen Kessel schon befeuert. Das ausgekühlte Schwein wurde nun auf einen Tisch gelegt und auseinandergeschnitten. In viele Teile zerlegt, kamen Schinken, Schultern Specksaiten, sowie Kopf, Ohren, Beine, Rippen und Schwanzstück zum Einpökeln in ein Salzfass. Andere Fleischstücke kamen in den Brühkessel, aus ihnen sollte die verschiedenste Brühwürste gemacht werden. Jetzt aber war die gute Mettwurst an der Reihe, das rohe Fleisch dafür war vom Schlachter sorgfältig ausgewählt worden. Nun wurde es durch den Wolf gedreht und zu Hackfleisch gemacht, früher musste es mit einem sogenannten Stoßeisen fein gehackt werden. Nachdem es gewürzt und tüchtig durchgeknetet worden war kam es in die Stopfmaschine, womit die Därme gefüllt werden konnten. Schöne dicke, pralle Mettwürste waren das Ergebnis. Dann war die Kohlwurst dran, sie ähnelte in ihrer Eigenschaft den heute im Laden erhältlichen Rauchenden, wurde in die dünnen Därme gestopft und zu Ringwürsten gebunden. Mettwürste und Kohlwürste kamen auf Stöcke gezogen gleich auf den Räucherboden, wo sie erst einmal trocknen mussten, bevor sie später geräuchert werden konnten. Nun ging es in der Schlachteküche an die Brühwurst, das gegarte Fleisch wurde aus dem Kessel genommen und in eine hölzerne Schlachtemolle zum Abkühlen getan. Jetzt erst war es Zeit, um zu frühstücken. Danach sortierte der Schlachter es auseinander und ließ es von einer der helfenden Frauen durch den Wolf drehen. Immer aber erkundigte sich der Schlachter vorher nach dem Wohlbefinden der helfenden Frauen. Auf gar keinen Fall ließ er es zu, dass eine weibliche Person, die ihre Regel hatte, sich in der Schlachteküche aufhielt. Die betroffenen Frauen durften das Fleisch und auch schon am Vortage das Blut nicht berühren, denn es war eine uralte Weisheit, dass das Eingeschlachtete verderben würde, wenn es von einer solchen Frau berührt worden war. Wenn die Brühwürste, zu denen in erster Linie die fettreiche Knappwurst, die Sülze, der Bregenbeutel, die Blutwurst und letztlich auch das so beliebte alte Wöbkenbrot gehörte, fertig waren, kamen alle zusammen in den großen Kessel und wurden gebrüht, was je nach Art bis zu zwei Stunden in Anspruch nahm. Früher wurde dieses Würstekochen von dem Hausschlachter selbst vorgenommen, oder überwacht. Weil es allgemein üblich war, dass nach jeder Wurstsorte einer eingeschenkt wurde, war man oftmals nach getaner Arbeit schon in guter Stimmung. Für den Rest des Tages war dann Schlachtefest für alle, wenn die Stippgrütze gekocht und die Bude wieder sauber gemacht war, das aber war Aufgabe der Hausfrauen. Hatte man sich so für den langen kalten Winter eingedeckt, stand meistens Weihnachten vor der Tür. Es wurde der alte Backofen angeheizt und Brot, Plätzchen, aber vor allem auch der beliebte Platenkuchen (Butterkuchen) für das Fest gebacken. Hinterher kamen dann meistens die großen Steintöpfe mit Pflaumenmus und Apfel- oder Birnenkraut in den Backofen, um wegen der besseren Haltbarkeit noch mal erhitzt zu werden. Auch ein Topf mit Sauerkraut und Schweinebacke wurde auf diese Weise gegart.

Stall und Haus wurden gereinigt und geschrubbt, die gestampften Lehmfußböden in den Stuben der alten Fachwerkhäuser mussten mit reinem weißen Sand, der extra aus Selenfeld geholt worden war, ausgestreut sein, bevor der Weihnachtsbaum geschmückt werden durfte. Am Heiligen Abend und am ersten Weihnachtstag war der Kirchgang für jedermann im Hause absolute Pflicht. Während die Gottesdienste an normalen Sonntagen nur einmal stattfanden und die Herrschaften, sowie die Bediensteten der Hofe im wöchentlichen Wechsel daran teilnahmen, wurden die Gottesdienste an diesem Tag und auch am ersten Weihnachtsmorgen zweimal abgehalten, so dass die Hausbewohner, Jung und Alt, wechselweise daran teilnehmen konnten. Heiligabend-Gottesdienst war in der Regel am Nachmittag um 17.00 Uhr und um Mitternacht, am ersten Weihnachtstag um 6.00 Uhr morgens und um 10.00 Uhr. Kamen dann am Mittag des Festtages die

Kirchgänger von der Kirche heim, war der Tisch bereits festlich gedeckt. Es gab in früheren Jahren oftmals Hasenbraten, Gänsebraten oder auch Lammbraten zu essen.

Ab Heiligabend durfte während der folgenden „12 Heiligen“ kein Mist aus den Ställen gebracht werden, wollte man einem alten Aberglauben nach, Unheil und Krankheit bei dem Vieh aus dem Wege gehen. Also wurde bis zum Heiligen Dreikönigstag (6. Januar) nur täglich frisch eingestreut und der Mist lediglich unter den Tieren verteilt, solches nannte man dann ,,Aufmisten“.

Auch durfte keine Wäsche gewaschen werden und keine Weißwäsche zum Trocknen nach draußen gehängt werden, das bedeutete stets Unglück und Krankheit in der Familie. In dieser Zeit abends bei Dunkelheit außerhalb von Haus und Hof unterwegs zu sein, brachte stets Gefahren für Leib und Seele mit sich, so meinten die älteren Menschen in längst vergangener Zeit. Damals glaubte man vielfach noch an Spökedinger und sonstigem Tun böser Geister.

Wenn dann in früheren Tagen an den Winterabenden nach dem 6. Januar sich die Frauen und Mädchen in verschiedenen Gruppen je nach Alter, gemeinsam zu den sogenannten Spinnabenden zusammenfanden, war die Rede sehr häufig von erlebten Spukgeschichten und dem allgemein so gefürchteten Böxenwulf, der die allein auf dem Heimweg gehenden Menschen überfiel und sich gern auf deren Rücken ein Stück des Weges tragen ließ. Die jungen Burschen aus den Dörfern, die sich oftmals nach 22.00 Uhr auf den Spinnabenden der jungen Mädchen einstellten, taten in ihren Erzählungen ein Übriges, die jungen Fräuleins einzuschüchtern, um zu späterer Stunde die total Verängstigten dann nach Hause begleiten zu dürfen. Bis in die heutige Zeit sind solche Anekdoten und Spukgeschichten in den Erinnerungen vieler älterer Menschen noch erhalten geblieben.

Wenn dann kurz vor Mitternacht etwa gegen 23.30 Uhr das Schnurren der Spinnräder verstummte und Feierabend war, vergnügte sich die Jugend noch ein Stündchen in gemeinsamer Geselligkeit. Oft wurden dann außer Tanz und Gesang auch so manche Gesellschaftsspiele gemacht. In der damaligen Zeit gab es sonst ja kaum anderweitige Abwechslungen für die jungen Leute. Das änderte sich erst nach 1930 mit der Einführung von Filmabenden auch in den Dörfern; sowie die im Sommer hin und wieder veranstalteten Zeltfeste der noch jungen Vereine. Die Gastwirtschaften in den Dörfern begannen erst um diese Zeit damit, Säle und Festräume zu bauen, die für gesellige Veranstaltungen, wie Tanzvergnügen und Theateraufführungen der Dorfjugend, sowie auch Hochzeitsfeiern genutzt werden konnten.

Anhang:   Die Herstellung von Seife in den Bauernhäusern

War in früheren Zeiten, aber vor allem in den mageren Jahren der Kriegs- und Nachkriegszeiten ein Stück Vieh verendet, wurde es ausgenommen und die Kaldaunen (die noch warmen Eingeweide) vergraben. Der Fleischkörper aber wurde in kleinere Teile zerlegt und zum Kochen in den großen Waschkessel getan. Hinzu kamen nun allerlei Zutaten wie, Ätznatron, (Seifenstein) Pottasche, Salmiakgeist und Duftstoffe, wie Rosenöl, Lavendel, Thymian oder andere Kräuter nach Wahl. Dann wurde das Ganze mehrere Stunden gekocht, bis der Kesselinhalt, Fleisch, Speck, Knochen und Sehnen zu Seife zerfallen waren.

Nach dem Erkalten hatte sich oben als Schwimmdecke die gute, goldgelbe Kernseife abgesetzt, sie wurde mit einem scharfen Messer in handliche Stücke geschnitten und konnte später nach Bedarf auch wieder geschmolzen und in hölzerne Formen, wie man sie bei der Butterherstellung kannte, gegossen werden. Meistens wurde diese Kernseife aber so, wie sie ausgeschnitten war verwendet. Man benutzte sie zum Beispiel bei der morgendlichen Toilette, wie auch zum Waschen von Wäsche und anderen Kleidungsstücken. Unter der Kernseife kam dann die helle Schmierseife, auch „Silberseife“ genannt zu Tage. Diese war besonders edel und eignete sich sowohl zum Wäschewaschen als auch zum Reinigen von Haushaltssachen, wie Mobiliar usw. Darunter gab es dann die braune Schmierseife, sie diente in erster Linie zum Reinigen der schmutzigsten Kleidungsstücke der Männer, zum Aufnehmen von Fußböden und auch zu Heilbädern für schlecht heilende Wunden bei Menschen und Tieren. Noch weiter unten im Kessel befand sich dann noch die schwarze Seife, sie hatte sich vorwiegend aus den Knochenanteilen gebildet, und war nur minderwertig, man benutzte sie häufig zum Reinigen von altem Schuh- und Lederzeug, denn sie färbte alles Behandelte schwarz.

Ich hoffe, der jetzigen Generation mit diesem kleinen Streifzug einen kurzen Rückblick in die Geschichte Dörflichen Lebens und Treibens ermöglicht zu haben und bitte um Verständnis für das Verhalten von betagten Menschen, denen es heute schwerfällt, sich mit allem Modernen abzufinden.

Ihr
Wilhelm Nahrwold

*1 Haspel
Die Haspel ist ein technisches Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie z.B. Garnen, Seilen, Drähten und Bändern. Haspeln bestehen aus einem in der Regel walzen-, spulen- oder kreuzförmigem Aufbau, der drehbar um eine Mittelachse mit Kurbel gelagert ist.

*2 Dreschflegel
Der Dreschflegel ist ein altes bäuerliches Werkzeug zum Dreschen des Getreides nach der Ernte, um die Getreidekörner aus den Ähren zu lösen und der Weiterverarbeitung zuführen zu können. Der Dreschflegel besteht aus einem hölzernen Stiel, an dem, mittels eines beweglichen Bauteils (meist aus Leder), der eigentliche Flegel befestigt ist, ein ca. 6–8 cm dicker, grob bearbeiteter Prügel aus Hartholz. Gedroschen wurde auf dem befestigten Boden einer Scheune. Mit dem Stiel wurde der Dreschflegel so durch die Luft geschleudert, dass die vorne angebrachte Keule mit großer Kraft auf die am Boden liegenden Getreidebündel aufschlug. Auf diese Weise wurden die Getreidekörner aus den Ähren herausgeschlagen (gedroschen).

*3 Windfegen
Eine Rotationsworfelmaschine trennt mittels eines durch eine Handkurbel zur Rotation gebrachten Windrades die Spreu von Weizen, Hirse, Reis oder anderem Getreide. Zuerst wird das gedroschene Getreide (einschließlich der Spreu) in einen Trichter gefüllt und durch einen gleichmäßigen Luftstrom geführt, der durch das Windrad in einem Luftkanal erzeugt wird. Die Spreu wird aufgrund ihres geringeren Gewichts von dem Luftstrom aus der Maschine geblasen, während das Korn und andere verbliebene schwerere Fremdkörper in der Maschine verbleiben und dann über Schüttelsiebe voneinander getrennt werden.

*4 Göpel
Mit einem Göpel wurde die Bewegungsenergie über einfache Getriebe auf die Antriebswellen der verarbeitenden Maschinen übertragen. Die Bewegungsenergie wurde anfangs durch Menschenhand oder mit Pferden erzeugt, später kamen Dampfmaschinen oder Elektromotoren zum Einsatz.7

*5 Dreschmaschine
In der Dreschmaschine befindet sich eine Trommel, die von einem Korb umschlossen wird. Die Getreideähren werden sich zwischen Trommel und Korb eingefüllt. Durch die schnell drehende Trommel werden die Getreideähren zwischen Trommel und Korb zerrieben und die Körner fallen heraus.

*6 Beutelkiste
Nach dem Zermahlen des Kornes rieselt das Getreide in das Beutelwerk. Der Beutel ist röhrenförmig und hängt leicht schräg im Beutelkasten. Er ist aus durchlässigem Stoff und wird durch das Schlagwerk gerüttelt. Dadurch wandert das gemahlene Getreide langsam hindurch, das feine Mehl kann den Stoff durchdringen und wird im Beutelkasten aufgefangen. Das übrige Mahlgut verlässt den Beutelkasten am Kleieausfluss.

*7 Teufelsgeige
Die Teufelsgeige, auch Deiwelsgeije, oder Bettelgeige genannt, ist ein Rhythmus- und Lärminstrument, das in der Volksmusik bei Fastnachtsumzügen oder bei Polterabenden eingesetzt wird.

*8 Dengeln
Dengeln bezeichnet ein Verfahren zum Schärfen der Schneide einer Sense, Sichte oder Sichel, bei dem diese zu einer dünnen, scharfen Schneide durch Hämmern ausgetrieben wird. Die erzeugte Schneide wird als Dengel bezeichnet.

*9 Hungerharken
Der Hungerharke oder auch Schlepprechen war eine überproportionale Harke mit einer Spannweite von ca. 1,5 m. Die langen, gebogenen Zinken hatten eine Länge von 30 cm. Später wurde für diese Arbeit ein zweirädriger Schlepprechen verwendet, die vom Pferd gezogen wurde.

Hinweis zum Titelbild: Das Bild zeigt die Getreideernte in Lahde auf dem Hof Nr. 28 (Fährstraße) um das Jahr 1930 






Zurück zum Anfang